Die Ereignisalgebra ist ein Teilgebiet der Wahrscheinlichkeitsrechnung, bei dem Ereignisse und ihre Verknüpfungen im Mittelpunkt stehen. Lerne, wie du mit Ereignissen wie Vereinigung und Schnittmenge umgehst. Interessiert? Du wirst alles darüber im folgenden Text erfahren!
Die Algebra kennst du schon lange: Damit wird das Teilgebiet der Mathematik bezeichnet, das vom Umgang mit mathematischen Objekten und deren Verknüpfung durch Rechenoperationen handelt. Immer wenn du Terme umformst oder Gleichungen löst, betreibst du Algebra.
Die Ereignisalgebra ist eine Algebra im Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Bei der Ereignisalgebra sind die Objekte nicht Zahlen oder Variablen, sondern Ereignisse. Die Rechenoperationen sind nicht Addition oder Multiplikation, sondern Verknüpfungen zwischen Ereignissen, wie Vereinigung oder Schnittmenge.
In diesem Text geht es darum,
wie Objekte und Operationen in einer Ereignisalgebra definiert sind,
welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit man in einer Ereignisalgebra rechnen kann, und
welche Rechengesetze in einer Ereignisalgebra gelten (etwa beim Auflösen von Klammern).
Welches sind die Objekte und Operatoren der Ereignisalgebra?
Wir schauen uns die Objekte und Operatoren der Ereignisalgebra genauer an und wiederholen dabei wichtige Fachbegriffe am Beispiel eines einfachen Würfelwurfs eines sechsseitigen Würfels.
Der Würfelwurf ist ein Zufallsversuch mit sechs möglichen Ausgängen. Der Würfel kann auf eine der sechs Seiten fallen, die mit den Zahlen $1$ bis $6$ beschriftet sind. Die möglichen Ergebnisse des Zufallsversuchs schreiben wir in der Ergebnismenge $\Omega = \lbrace 1; 2; 3; 4; 5; 6 \rbrace$.
Mehrere Ergebnisse können in der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu einem Ereignis zusammengefasst werden. Ein Beispiel ist das folgende Ereignis:
$A=\text{Es wird eine gerade Zahl gewürfelt.}$
Wir schreiben $A= \lbrace 2; 4; 6 \rbrace$. Ein Ereignis ist eine Teilmenge der Ergebnismenge, hier $A \subset \Omega$.
Auch ein einzelnes Ergebnis können wir als Ereignis auffassen, wir nennen es ein Elementarereignis. Ereignisse lassen sich somit durch Vereinigung von Elementarereignissen darstellen. ${A=\lbrace 2 \rbrace \cup \lbrace 4 \rbrace \cup \lbrace 6 \rbrace}$. Das heißt: Das Ereignis $A$ tritt ein, wenn das Elementarereignis $2$ oder $4$ oder $6$ eintritt.
Als weiteres Beispiel betrachten wir das folgende Ereignis:
$B=\text{Es wird eine Zahl größer als 4 gewürfelt.}$
Es gilt $B= \lbrace 5; 6 \rbrace=\lbrace 5 \rbrace \cup \lbrace 6 \rbrace$.
Am Beispiel der Ereignisse $A$ und $B$ wiederholen wir hier die eben schon genannte Vereinigung und weitere Rechenoperationen für Ereignisse. Für mehr Hintergründe schaue das Video zu Verknüpfungen.
Verknüpfung
Symbol
Sprechweisen
Die gewürfelte Zahl ist …
Ereignismenge
Vereinigung bzw. ODER-Verknüpfung
$A \cup B$
„$A$ oder $B$“
… gerade oder größer als $4$ (oder beides).
$\lbrace 2; 4; 5; 6 \rbrace$
Schnittmenge bzw. UND-Verknüpfung
$A \cap B$
„$A$ und $B$“, „$A$ geschnitten $B$“
… gerade und größer als $4$.
$\lbrace 6 \rbrace$
Gegenereignis bzw. Komplement
$\bar{A}$
„nicht $A$“
… nicht gerade.
$\lbrace 1; 3; 5 \rbrace$
Differenz
$A\setminus B$
„$A$ ohne $B$“
… gerade, aber nicht größer als $4$.
$\lbrace 2; 4 \rbrace$
symmetrische Differenz
$A\triangle B$
„$A$ oder $B$, aber nicht beide“
… entweder gerade oder größer als $4$.
$\lbrace 2; 4; 5 \rbrace$
Anhand des nachfolgend abgebildeten Venn-Diagramms kannst du die einzelnen Verknüpfungen nachvollziehen.
Besondere Ereignisse sind das sichere Ereignis und das unmögliche Ereignis.
Ein Beispiel für das sichere Ereignis ist:
$C=\text{Es wird eine natürliche Zahl kleiner als 7 gewürfelt.}$
Ein Beispiel für das unmögliche Ereignis ist:
$D=\text{Es wird eine Zahl größer als 6 gewürfelt.}$
Das sichere und das unmögliche Ereignis spielen als sogenannte neutrale Elemente eine wichtige Rolle in der Ereignisalgebra. Das kannst du vergleichen mit der Sonderrolle der $0$ (Jede Zahl, zu der eine $0$ addiert oder von der eine $0$ subtrahiert wird, ist gleich sich selbst.) und der $1$ (Jede Zahl, die mit $1$ multipliziert wird oder durch $1$ dividiert wird, ist gleich sich selbst.) in der „gewöhnlichen“ Algebra.
Versuche, die nachfolgenden Fragen einmal selbstständig zu lösen. Du kannst als Beispiel die oben angegebenen Mengen $A$, $C$ und $D$ verwenden.
$A \cup \bar A=\Omega$ und $A \cap \bar A=\emptyset$
Wie ist eine Ereignisalgebra definiert?
Sei $\Omega$ eine Grundmenge von Elementarereignissen und $S$ ein System von allen Teilmengen aus $\Omega$. Dann heißt $S$ Ereignisalgebra, wenn folgende Punkte erfüllt sind:
Das sichere Ereignis $\Omega$ und das unmögliche Ereignis $\emptyset$ gehören zu $S$.
Wenn $A$ zu $S$ gehört, dann gehört auch $\bar{A}$ zu $S$.
Wenn $A$ und $B$ zu $S$ gehören, dann gehören auch $A \cup B$ und $A \cap B$ zu $S$.
Die Ereignisalgebra ist also sozusagen die Menge aller formulierbaren Ausgänge eines Zufallsexperiments. Ist eine Ereignisalgebra gegeben, gelten bestimmte Rechenregeln, die wir uns im Folgenden näher anschauen möchten.
Welche Rechengesetze gelten in einer Ereignisalgebra?
Einige dieser Rechengesetze sind dir bereits aus der Algebra bekannt.
Sicherlich erinnerst du dich an das Kommutativgesetz der Addition und Multiplikation, dieses gilt in ähnlicher Form in der Ereignisalgebra.
In einer Ereignisalgebra gelten die Kommutativgesetze (Vertauschungsgesetze)
für die Vereinigung $A \cup B$=$B \cup A$
und für die Schnittmenge $A \cap B$=$B \cap A$.
Zur Veranschaulichung denke an das obere Beispiel: $A \cap B$ heißt „Die gewürfelte Zahl ist gerade und größer als 4“ und $B \cap A$ heißt „Die gewürfelte Zahl ist größer als 4 und gerade“.
Auch die nächsten Gesetze, die Assoziativgesetze, sind für die Rechenoperationen der Algebra bereits bekannt.
In einer Ereignisalgebra gelten die Assoziativgesetze (Verknüpfungsgesetze)
für die Vereinigung $A \cup (B \cup C)=(A \cup B) \cup C$
und für die Schnittmenge $A \cap (B \cap C)=(A \cap B) \cap C$.
Bei den Distributivgesetzen, die du in der Algebra beim Ausmultiplizieren von Klammern anwendest, wird die Multiplikation einer Summe betrachtet. Auch in der Ereignisalgebra werden bei diesem Gesetz zwei Rechenoperationen miteinander verbunden.
In einer Ereignisalgebra gelten die Distributivgesetze (Verteilungsgesetze):
$A \cap (B \cup C)=(A \cap B) \cup (A\cap C)$
$A \cup (B \cap C)=(A \cup B) \cap (A\cup C)$
Das letzte Gesetz findet in der Algebra keine Verwendung und bekommt auch einen neuen Namen.
In einer Ereignisalgebra gelten die De-Morgan-Gesetze:
$\overline{A\cup B}=\bar{A} \cap \bar{B}$
$\overline{A\cap B}=\bar{A} \cup \bar{B}$
Auch wenn du die De-Morgan-Gesetze bisher nicht kanntest, wendest du sie wahrscheinlich schon in der Alltagssprache an.
Wir betrachten folgende Ereignisse für das anstehende Abendessen:
Ereignis $A$ – es gibt ein Nudelgericht
Ereignis $B$ – es gibt etwas mit Käse Überbackenes
Du wünschst dir, dass das Ereignis $A \cup B$ eintritt – also wärst du zufrieden, wenn es Nudeln gibt oder etwas mit Käse Überbackenes, und du bist natürlich auch einverstanden, wenn beides eintritt (mit Käse überbackene Nudeln).
Leider wirst du enttäuscht und es tritt das Gegenereignis $\overline{A \cup B}$ ein und dein Wunsch nach Nudeln oder Käse wird nicht erfüllt. Nach dem De-Morgan-Gesetz gilt $\overline{A \cup B}=\bar{A} \cap \bar{B}$, das heißt, es gibt zum Abendessen keine Nudeln und keinen Käse oder anders formuliert weder Nudeln noch Käse.
Auch in der Alltagssprache wird aus der Verneinung von „Nudeln oder Käse“ die Formulierung „keine Nudeln und kein Käse“, analog zum Wechsel von $\cup$ zu $\cap$.
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