Blockfreie Staaten boten eine Alternative zu den Blöcken des Kalten Krieges. Sie standen für Selbstbestimmung und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Lust auf mehr Infos? Der folgende Text hat alles!
Blockfreie Staaten – eine dritte Kraft zwischen Ost und West
Aus europäischer Sicht war die Zeit zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Beginn der 90er Jahre in allererster Linie bestimmt durch den „Eisernen Vorhang“, also die sichtbare und unsichtbare Grenzlinie zwischen den Staaten des Warschauer Pakts im Osten und den Mitgliedern der NATO im Westen. Diese Aufteilung der Welt in zwei große, ideologisch entgegengesetzte Blöcke erscheint im Rückblick beinahe unausweichlich, und man vergisst leicht, dass sich nicht alle Staaten der Welt zu einem der beiden Lager gehörten.
Dies betrifft vor allem die ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika und Asien, die sich ihre Entscheidungen nicht länger von außen diktieren lassen wollten. Aber auch in Europa wollten nicht alle Staaten in den Ost-West-Konflikt verwickelt werden. Die Bewegung der Blockfreien Staaten (engl. Non-Aligned Movement) suchte nach einem dritten, neutralen Weg in einer zweigeteilten Welt.
Hintergrund: Das Ende der Kolonialreiche
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte sich der Prozess der Dekolonisation weltweit beschleunigt. Zahlreiche Länder waren unabhängig geworden, darunter Indien, Indonesien und die zahlreichen im „Afrikanischen Jahr“ 1960 neu entstandenen afrikanischen Staaten. Die ehemaligen Kolonien strebten nach Selbstbestimmung und internationaler Anerkennung. Gleichzeitig versuchten die Supermächte USA und Sowjetunion weltweit ihren Einflussbereich zu vergrößern. Der erste Stellvertreterkrieg in Korea und das Eingreifen der Großmächte auf der Indochinakonferenz sind nur zwei Beispiele für Faktoren, die die Furcht vor einem Rückfall in koloniale Verhältnisse schürten.
Die Konferenz von Bandung
Im Jahr 1955 trafen sich 29 asiatische und afrikanische Staaten und Kolonien in Bandung in Indonesien zu einer Konferenz, die rückblickend als Ausgangspunkt für die Bewegung der Blockfreien Staaten gilt. Die teilnehmenden Staaten, die sich selbst als „Dritte Welt“ bezeichneten, sprachen sich in ihrem Schluss-Kommuniqué gegen Kolonialismus und Rassismus aus. Sie forderten die völkerrechtliche Anerkennung und politische Gleichbehandlung aller Teilnehmenden und beriefen sich dabei auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die UN-Charta.
Der Begriff „Dritte Welt“ geht zurück auf den Beginn der 1950er Jahre und bezieht sich ursprünglich auf die Staaten, die weder zur „Ersten Welt” der westlich geprägten reichen Industriestaaten, noch zur „Zweiten Welt”, nämlich dem kommunistisch geführten Ostblock gehörten. Mit der Zeit wurde er immer mehr gleichbedeutend mit dem Begriff „Entwicklungsländer” und stand damit für wirtschaftlich schwache Staaten, vor allem auf der Südhalbkugel, die mit Armut, Überbevölkerung und politischer Instabilität zu kämpfen hatten. Der Ausdruck „Dritte Welt“ gilt heute als problematisch, da er eine Rangordnung und damit eine negative Wertung impliziert.
Die Konferenz hatte dank der intensiven damit verbundenen Öffentlichkeitsarbeit eine weitreichende Wirkung; man sprach vom „Geist von Bandung“ und vom Endpunkt des kolonialen Zeitalters. Praktische Erfolge der Konferenz waren die Anerkennung zahlreicher ehemaliger Kolonien durch die Vereinten Nationen sowie die beiden UN-Resolutionen 1514 und 1904, die sich gegen Kolonialismus und Rassismus richteten.
Auf einer Briefmarke wird der Charakter der Friedensmission deutlich
Die Gründung der Bewegung der Blockfreien Staaten
Ausgehend von der Konferenz von Bandung entwickelte sich die antiimperialistische Bewegung weiter und es gab immer mehr Bestrebungen nach internationaler Zusammenarbeit der blockfreien Staaten, auch über die pan-afrikanischen und asiatischen Zusammenschlüsse hinaus. Eine wichtige Rolle spielte dabei Jugoslawien, wo auch die erste Konferenz der blockfreien Staaten stattfand.
Wichtige Persönlichkeiten der Bewegung
Zu den wichtigsten Leitfiguren der Bewegung zählen der indische Premierminister Jawaharlal Nehru, der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser und der jugoslawische Staatspräsident Josip Broz Tito. Diese drei Politiker trafen sich im Jahr 1961 in Brijuni, um eine Konferenz der blockfreien Staaten vorzubereiten.
Josip Broz, genannt „Tito“, (1892–1980) war ein kommunistischer Politiker im früheren Staat Jugoslawien. Von 1945 bis 1953 war er Ministerpräsident, danach Staatspräsident. In dieser Zeit formte er Jugoslawien zu einem sozialistischen Staat, geprägt durch ein Einparteiensystem, die Zwangskollektivierung der Wirtschaft, und die Unterdrückung abweichender politischer Meinungen. Ab 1948 geriet Tito zunehmend in Konflikt mit Russland. Er lehnte Stalins Führungsanspruch ab und entwickelte mit dem Titoismus eine eigene, etwas liberalere Form des Kommunismus.
Die Konferenz von Belgrad 1961
1961 fand in Belgrad die erste Gipfelkonferenz der Blockfreien Staaten und damit die offizielle Gründung der Bewegung statt. Gründungsmitglieder waren insgesamt 25 Nationen, darunter nur drei europäische Staaten, nämlich Jugoslawien, Zypern und Malta. Mit der Zeit kamen weitere Mitglieder hinzu; einige Staaten traten wieder aus und die Nachfolgestaaten Jugoslawiens traten nicht wieder ein. Heute hat die Bewegung 120 Mitglieder. Die Gipfeltreffen finden circa alle drei Jahre an wechselnden Orten statt.
Nehru, Nasser und Tito auf der Konferenz in Belgrad
Von Anfang an verstanden sich die Blockfreien Staaten als loser Zusammenschluss und nicht als feste Organisation wie die NATO oder der Warschauer Pakt. Das liegt unter anderem daran, dass die Bewegung extrem heterogen zusammengesetzt ist. Die Staaten unterscheiden sich in Bezug auf Religion, Kultur, Staatsform, wirtschaftliche Stärke und oft auch im Hinblick auf ihre politischen Ziele. Dennoch gibt es verbindende Faktoren.
Ziele und Anliegen der Bewegung
Die gemeinsamen Ziele, die die Bewegung der Blockfreien Staaten zusammenführten, lassen sich in drei großen Punkten zusammenfassen:
Frieden: Die Bewegung forderte eine Beendigung des nuklearen Wettrüstens von Ost- und Westblock, um die drohende Eskalation zum Nuklearkrieg zu verhindern. Dies war in erster Linie ein moralischer Anspruch, da es wenig praktische Möglichkeiten gab, auf die Supermächte Einfluss zu nehmen.
Unabhängigkeit: Das zweite große Ziel war die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Die Bewegung verurteilte Kolonialismus und Imperialismus und setzte sich für die Anerkennung ehemaliger Kolonien als souveräne Staaten ein.
Gleichberechtigung: Die Bewegung setzte sich auch für mehr wirtschaftliche Gerechtigkeit für Entwicklungsländer und für gleiche Rechte für alle Nationen innerhalb der UN ein.
Die Forderung nach mehr wirtschaftlicher Gleichbehandlung gewann im Lauf der Zeit zunehmend an Bedeutung. So strebten die Entwicklungsländer nach der freien Verfügung über ihre natürlichen Ressourcen, die oft in den Händen der reichen Industrienationen lagen.
Die blockfreien Staaten heute
Mit dem Ende des Warschauer Pakts 1991 und dem Zerfall des alten Bündnissystems wurde ein wichtiger Daseinsgrund der Bewegung der Blockfreien Staaten bedeutungslos. Die Welt ist heute nicht länger vom Gegensatz zwischen zwei großen ideologischen Blöcken bestimmt; an Stelle dessen sind neue Herausforderungen getreten.
Die Bewegung der Blockfreien Staaten wandelt sich heute mehr und mehr zu einer Vertretung der Interessen des globalen Südens. Noch immer setzt sich die Bewegung für wirtschaftliche Gleichberechtigung und Entkolonialisierung ein. Auch die Folgen des Klimawandels und die Bekämpfung der weltweiten Armut sind wichtige Themen. Mit ihren 120 Mitgliedsstaaten vertritt sie etwa 55% der globalen Bevölkerung; ihre Mitglieder haben zwei Drittel der UN-Sitze inne. Aktueller Vorsitzender (2024) ist Yoweri Museveni aus Uganda. Ein Teil der blockfreien Staaten bildet innerhalb der UN die sogenannte Gruppe der 77, die sich für mehr Süd-Süd-Kooperation einsetzt.
Auf der Konferenz von Belgrad schlossen sich 29 Länder unter der Führung von Jugoslawien, Indien und Ägypten zu einem losen Bündnis zusammen.
Wichtige gemeinsame Ziele der stark heterogenen Bewegung waren die nukleare Abrüstung, die Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien und die internationale Gleichberechtigung auch für kleinere Staaten.
Nach dem Zerfall der alten Bündnissysteme sieht sich die Bewegung heute vor allem als Interessenvertretung der Staaten der Südhalbkugel gegenüber den reichen Industrienationen des Nordens.
Bandung-Konferenz: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Asian%E2%80%93African_Conference_at_Bandung_April_1955.jpg (Aufruf am 14.08.2024)
Indonesische Postkarte: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stamp_of_Indonesia-1955-Colnect_260830-Asian_African_Conference.jpeg (Aufruf am 14.08.2024)
Nehru, Nasser und Tito: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jawaharlal_Nehru,_Nasser_and_Tito_at_the_Conference_of_Non-Aligned_Nations_held_in_Belgrade.jpg (Aufruf am 14.08.2024)
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