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Antisemitismus im Kaiserreich

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Lerntext zum Thema Antisemitismus im Kaiserreich

Antisemitismus im Deutschen Kaisrreich

Antisemitismus ist ein Begriff, den wir vor allem mit der Zeit des Nationalsozialismus und der Shoa, dem Völkermord an den europäischen Juden, in Verbindung bringen. Er bezeichnet, pauschal erklärt, den Hass und die Ablehnung gegenüber allem, was angeblich jüdisch, semitisch, ist. Davon eingeschlossen sind der jüdische Glaube, die jüdische Gemeinde als Volksgruppe und alle ihnen zugeschriebenen Eigenschaften und Tätigkeiten. Der Antisemitismus als politische Strömung entstammt nicht erst den 1920er oder 1930er Jahren, in denen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen und ihre judenfeindliche Propaganda verbreiteten. Der Begriff Antisemitismus kam bereits 1879 in Umlauf, also zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs, und das, obwohl den Jüdinnen und Juden in der Verfassung des Deutschen Kaiserreichs persönliche und rechtliche Gleichstellung zugesprochen worden war. Wie passt das zusammen? Welchen Ursprung hatte der Hass auf die jüdischen Teile der Gesellschaft und wie äußerte sich der Antisemitismus im Kaiserreich? .

Antisemitismus als Konstrukt
Festgehalten werden soll hier, dass bereits die Zuschreibungen, was als jüdisch gilt und was nicht, von starken Vorurteilen geprägt sind und waren und der Antisemitismus eine ebenso menschenfeindliche, aber konstruierte Denkweise ist wie zum Beispiel der Rassismus. Er hat nichts mit dem realen Leben der jüdischen Menschen zu tun.

Jüdische Rechte in der Verfassung des Deutschen Kaiserreichs

Die Ablehnung und Verfolgung von Jüdinnen und Juden geht bereits bis in die Antike zurück. Im Mittelalter verfestigte sich die Judenfeindschaft in Europa: Jüdische Gemeinschaften, die nicht als gleichwertiger Teil der christlich geprägten Gesellschaft angesehen wurden, sahen sich mit starken Vorurteilen, Ausgrenzung, gesellschaftlicher Benachteiligung und immer wieder mit gegen sie gerichteten gewaltsamen Ausschreitungen, sogenannten Pogromen, konfrontiert. Ab dem Ende des 18. Jahrhunderts kam es dann zu verstärkten Versuchen, jüdische Gemeinschaften stärker und besser in die Gesellschaft zu integrieren – man spricht auch von der jüdischen Emanzipation bzw. Juden-Emanzipation. Im Zuge der Revolutionen der Jahre 1848/49 in Europa und speziell auf deutschem Boden wurde eine Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung immer stärker gefordert. Da die vorherigen Jahrhunderte Diskriminierungen und Ausgrenzungen in zahlloser Form bereitet hatten, sah die jüdische Gemeinschaft in der Liberalisierung und dem Erstarken der Menschenrechte eine Chance, ihrer eigenen Unterdrückung zu entkommen. Aber erst nach der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 und der daraufhin erlassenen Verfassung erhielt die jüdische Bevölkerung die vollständige persönliche und rechtliche Gleichberechtigung vor dem Gesetz. Allerdings gab es dazu einige Ausnahmen. Eine Offizierslaufbahn im Militär oder ein Amt als Richter wurde den Juden weiterhin verwehrt. Im öffentlichen Leben waren das nur zwei der zahlreichen Diskriminierungen, die die jüdische Gemeinschaft weiterhin hinnehmen musste.

Jüdisches Leben in der Gesellschaft des Deutschen Kaiserreichs

Die jüdische Religionsgemeinschaft machte im Deutschen Kaiserreich um das Jahr 1900 nur einen geringen Anteil in der Bevölkerung aus, wie die Tabelle, die auf Angaben des damaligen Kaiserlichen Statistischen Amts beruht, zeigt.

Konfessionen Anzahl
Protestanten 35 231 104
Katholiken 20 327 913
Juden 586 833
Andere 221 328

Die Jüdinnen und Juden waren trotz stellenweiser Diskriminierung inzwischen relativ gut in die Mehrheitsgesellschaft integriert. Sie besuchten in der Regel die gleichen Schulen und Universitäten wie der Rest der Gesellschaft. Die eigene Religion wurde mitunter im öffentlichen Leben nicht stark ausgelebt. Bezüglich des jüdischen Bildungsbürgertum im Deutschen Kaiserreich wird daher häufig von Assimilation gesprochen, also von dem Aufgeben der eigenen Kultur und Religion und der Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft. Auch basierend auf der über Jahrhunderte währenden Ausgrenzung aus der Gesellschaft und den Bildungseinrichtungen zeigten große Teile der jüdischen Bevölkerung einen hohen Bildungswillen, und ihr Anteil in den Berufsgruppen, die einen Universitätsabschluss voraussetzen, zum Beispiel Arzt, Anwalt oder Wissenschaftler, war sehr hoch. Ebenso gab es in der schreibenden und bildenden Kunst sehr viele jüdische Vertreter, die im Kaiserreich ein hohes Ansehen genossen.

Trotz dieser scheinbaren Integration bis hin zur Assimilation der Jüdinnen und Juden in der Gesellschaft des Kaiserreichs gab es weiterhin Einschränkungen und Verbote, die der Verfassung widersprachen, aber von der deutschen Öffentlichkeit hingenommen und zunehmend begrüßt wurden.

Entwicklung von öffentlichem Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich

Viele Vereine, Studentenverbindungen und Burschenschaften blieben Jüdinnen und Juden verschlossen. Es zeigte sich, dass die alten Vorurteile, zum Beispiel gegenüber dem sogenannten Finanzjudentum, stark in der Gesellschaft verankert waren und nicht so leicht abgebaut werden konnten. Trotz rechtlicher Gleichstellung wurde die Judenfeindlichkeit in weitreichenden Teilen der Gesellschaft sogar wieder stärker. Ein Beispiel dafür stellt die Gründerkrise 1873 dar. Zunächst verdeckt, aber in Folge dieser wirtschaftlichen Krise immer öffentlicher, sprachen sich einige gesellschaftliche Gruppen gegen die angebliche jüdische Lenkung der weltweiten Finanzen aus und offenbarten dabei nicht mehr nur religiös geleitete, sondern nun auch ganz handfest rassistische Vorurteile. Wenn man bedenkt, dass die christliche Mehrheit der jüdischen Bevölkerung im Mittelalter keine anderen Berufe als die im Finanzsektor zugestanden hatt​​e, erscheint das Vorurteil, dass die jüdische Bevölkerung die weltweiten Finanzen zu ihren Gunsten ausnutzte, noch wesentlich absurder.
Einige Teile der Bevölkerung folgten hier gewissermaßen einer Sündenbock- Mentalität: An ihrer eigenen wirtschaftlichen Verschlechterung seien nun die Juden Schuld, die also für die wirtschaftliche Krise verantwortlich gemacht wurden, obwohl sie genauso davon betroffen waren wie die restliche Gesellschaft.

In der Folge kam es zu immer mehr judenfeindlicher Literatur und zu politischen Aktionen und Parteibildungen. Bereits 1893 zogen 16 Politiker in den Reichstag ein, deren politisches Konzept auf Judenfeindlichkeit aufbaute. Vor allem städtische Mittelschichten und die Landbevölkerung unterstützte den politischen Antisemitismus, aber auch in akademischen Teilen der Bevölkerung und in hohen Militärkreisen wurde er in der Folge vermehrt als normal betrachtet.

Der Antisemitismusstreit und der fortschreitende Antisemitismus

Der Begriff des Antisemitismus entstand, weil man seinem politischen, judenfeindlichen Ansinnen einen wissenschaftlichen und somit vermeintlich sinnstiftenden Namen geben wollte. In Abgrenzung zu mittelalterlichen, christlich geprägten Antijudaismus, kam jetzt bei der Judenfeindschaft eine rassistische Komponente hinzu. Verbunden mit Gedanken aus der Rassenlehre führte man vermeintliche Missstände der Gegenwart auf zugeschriebene Eigenschaften der jüdischen Bevölkerung zurück. Dabei wurden bewusst die schlechten jüdischen Eigenschaften den guten deutschen gegenübergestellt. Auch hier sollte man wieder bedenken, dass diese Unterteilung schon deswegen als künstlich erkannt werden muss, weil sich die absolute Mehrzahl der Jüdinnen und Juden in Deutschland als deutsch ansah.

Besonders zu Tage trat der Konflikt und die öffentliche Ausgrenzung im Antisemitismusstreit, der 1878 vom preußischen Historiker Wilhelm von Treitschke ausgelöst wurde. Dieser hatte mit seiner Schrift Die Juden sind unser Unglück für viel Aufmerksamkeit, großen Zuspruch, aber auch starken Widerspruch gesorgt. Sein Aufsatz legte alle aktuell gängigen Vorurteile offen zu Tage und verschärfte gleichzeitig den Ton gegen die jüdische Bevölkerung. Berühmte Gegner der Position von Treitschkes waren der angesehene Historiker Theodor Mommsen oder der Theologe Heinrich Graetz, der auch den Begriff des Antisemitismus prägte.
In der Folge gab es immer wieder Petitionen, in denen die Rücknahme der rechtlichen Gleichberechtigung der Jüdinnen und Juden gefordert wurde. Sie blieben erfolglos, allerdings verbreitete sich der rassisch begründete Antisemitismus weiter in der Gesellschaft, ob durch wissenschaftliche Debatten, Literatur oder einzelne politisch motivierte Aktionen.

Wusstest du schon?

Der Antisemitismus im Kaiserreich offenbahrte sich nicht nur durch wissenschaftliche Aufsätze, öffentliche Debatten oder politische Parteien. Es gab Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung, die den ganz normalen Alltag sehr deutlich betrafen. So rühmte sich die Nordsee-Insel Borkum bereits 1897 auf zahllosen Schildern und Postkarten dafür, judenfrei zu sein. Man betrieb Werbung damit, die jüdische Bevölkerung gezielt auszugrenzen und nicht auf die Insel zu lassen. Dieses Marketing zeigte in den antisemitischen Kreisen großen Erfolg, sorgte aber auch in der übrigen Gesellschaft nicht für besonders große Aufregung, so dass immer mehr Urlaubsorte, zum Beispiel Blankenhagen oder Juist, nachzogen. Auch hier lässt sich ein Bezug zur Zeit des Nationalsozialismus nicht übersehen: Die Bezeichnung judenfrei verbinden wir mit dem Dritten Reich, sie existierte aber bereits zuvor und war in der Gesellschaft verankert und zumindest geduldet.

Spätestens in Folge des Antisemitismus-Streits war die Judenfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir können also festhalten, dass der Antisemitismus im deutschen Kaiserreich zwar auf den alten Vorurteilen aus dem Mittelalter aufbaute und auch deren Verbreitung in der Bevölkerung nutzte, gleichzeitig sich aber auch weiterentwickelte und neue, politisch motivierte, rassistisch geprägte Ausformungen zeigte.

Der Nationalsozialismus griff also gesellschaftliche Strömungen und Meinungsbilder auf, die nicht erst im 20. Jahrhundert aufkamen. Die Nationalsozialisten nutzten den Antisemitismus als Kernelment ihrer Ideologie und Propaganda und gingen nach ihrer Machtübernahme schon bald dazu über, die jüdische Bevölkerung zu entrechten und zu verfolgen. Der Völkermord an den europäischen Juden, die Shoa, kann also als grausamer Höhepunkt des über Jahrhunderte schwelenden Antisemitismus betrachtet werden.

Shoa und Holocaust
Der Begriff *Holocaust bezeichnet die systematische Ermordung der etwa sechs Millionen Jüdinnen und Juden, aber häufig auch anderer Opfergruppen während der Zeit des Nationalsozialismus. Er stammt aus dem griechischen und bedeutet vollständig verbrannt.
Die jüdische Öffentlichkeit benutzt für den Völkermord an ihrem Volk den Begriff Shoa, was auf hebräisch große Katastrophe bedeutet.

Antisemitismus im Kaiserreich – Zusammenfassung

  • Antisemitismus beschreibt als Sammelbegriff judenfeindliche Positionen und wurde im Deutschen Kaiserreich entwickelt. Er entstand während des sogenannten Antisemitismusstreits 1879.
  • Im Kaiserreich legte die neue Verfassung 1871 eine formal-rechtliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung fest. Tatsächlich blieben aber Vourteile und Diskriminierung weiterhin bestehen.
  • Jüdinnen und Juden machten in der Gesellschaft des Kaiserreichs ungefähr 1,6 % der Gesamtbevölkerung aus. Sie waren eine Minderheit, die sich zunehmend besser in die Gesellschaft integriert hatte.
  • Im Zuge von wirtschaftlichen Krisen nahm die Beschuldigung der jüdischen Bevölkerung zu, die man für die Verschlechterung der Lage verantwortlich machte. Die Basis für die Beschuldigungen waren unter anderem die alten Vorurteile gegen das sogenannte Finanzjudentum, gleichzeitig waren neue Vorurteile auf rassistischer Basis entstanden.
  • Der Antisemitismusstreit verdeutlichte die Strömungen in der Gesellschaft, da das antisemitische Lager durchaus gewichtige Gegner hatte.
  • In der Gesellschaft des Kaiserreichs war Antisemitismus allerdings verbreitet oder zumindest geduldet. Badeorte warben zum Beispiel damit, judenfrei zu sein.
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