London im Dezember 47. Bei Whiskey und Zigarren beschließen Briten und Amerikaner ohne deutsche Mitwirkung die Gründung eines deutschen Weststaates.
Alexander Kulpok:„Man muss feststellen, dass die Deutschen nach der Niederlage jegliches Recht auf Mitbestimmung verwirkt hatten.”
Also wird der neue Staat von anderen entworfen, führen neben England auch Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg die Federn hier im Old India Office im Februar 1948.
Lord Noel Annan:„Leider ist es absolut richtig, dass die Militärregierung die deutschen Politiker meistens als lästig, machtlos und ohne richtige Daseinsberechtigung empfanden. Es sei denn als Befehlsempfänger, wie hier im US-Hauptquartier in Frankfurt, 1. Juli 48. Die Ministerpräsidenten der Westzonen auf den Weg zu ihren Gouverneuren, die ordnen die Staatsgründung an.”
Antonius John:„Diese Republik ist entstanden auf der Grundlage der sogenannten Frankfurter Dokumente, der Brief der Alliierten an die Ministerpräsidenten, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen. Und das heißt, es ging von den Alliierten aus, das war das Startsignal. Und das habe ich immer als Makel aufgefasst.”
Schloss Herrenchiemsee, 1948: Elf Deutsche Experten in Klausur entwerfen die Verfassung, jetzt in eigener Regie. Dann stehen die Konturen fest für einen Weststaat, der nur als Provisorium gegründet werden soll. 66 Väter und vier Mütter feilen am Grundgesetz der Bundesrepublik, der parlamentarische Rat. Tagungsort ist die pädagogische Akademie in Bonn, der späteren Bundeshauptstadt. Es füllen sich die langen Bänke mit den dazugehörigen parlamentarischen Mitgliedern, Journalisten, Beobachtern, Gästen und so weiter. Scheinwerfer der Wochenschau flammen jetzt auf und wir warten zunächst auf die Wahl des Präsidenten. Das wird Konrad Adenauer. Der Christdemokrat will den Weststaat. Nicht überstürzt, aber bestimmt.
Otto Schumacher-Helmold:„Der konnte schon zuhören, hatte Geduld, ließ ausreden und zu einem gewissen Punkt stellt er dann die Weichen zu einem Ergebnis, was seinen Vorstellungen entsprach.”
Er sieht das anders. Carlo Schmid, SPD, will keinen westdeutschen Alleingang.
Lothar Rühl:„Es gab eben eine ganze Reihe von Politikern, die wollten eigentlich das Grundgesetz überhaupt nicht, weil sie gesagt haben, es ist ein Umweg zur Wiedervereinigung.”
Der direkte Weg scheint versperrt, trotz östlicher Einheitsrhetorik.
Otto Grotewohl:„Die Deutschen brauchen die Deutschen, ganz gleich in welcher Zone sie wohnen mögen.”
Warum folgt man dem in Westdeutschland nicht unbedingt?
Hildegard Hamm-Brücher:„Weil es einfach für jeden einzelnen Westdeutschen wichtig war, aus der Misere rauszukommen und besonderes Mitgefühl oder besondere Gedanken darüber, dass es einen Teil der Deutschen nicht möglich war, dass war weg, einfach weg.”
Für Adenauer ist der Weststaat erster Schritt zur Einheit. Gibt es weitere Motive?
Lord Noel Annan:„Er wollte ein Westdeutschland, dass vom Rheinland und von gut-katholischer Politik dominiert wird.”
Mit Bonn als Hauptstadt, einem Ort, wo Adenauer heimisch ist. Die SPD ist strikt dagegen, will Frankfurt am Main als Regierungssitz. Streit um ein Provisorium, Streit im parlamentarischen Rat. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Bonn 33, Frankfurt 29. Vier Stimmen mehr für ein Provinznest, wie Spötter es nennen. Der Alte ist zufrieden, doch wird das neue Parlament die Abstimmung bestätigen? Die frisch gewählten Volksvertreter sind gefragt und mit welchen Motiven?
Antonius John:„Taktische Gründe spielten eine Rolle und Nützlichkeitserwägungen. Und ich will mich jetzt ganz vorsichtig ausdrücken, Nützlichkeitserwägungen, denen man nachgeholfen hat und es gab damals ja auch einen Untersuchungsausschuss über Bestechung.”
Das Geld geflossen ist für Bonn steht fest. An wen? Wer weiß. 24 Stimmen Mehrheit für die Stadt am Rhein, es soll ja sowieso nur provisorisch sein. Die Menschen damals scheren sich sowieso kaum für Politik, sie wollen nach den Jahren der Entbehrung leben. Sie drohen im Eifer des Aufbaus zu kurz zu kommen, die Frauen. Gleichberechtigung als Grundrecht muss erst hart erstritten werden. Dann, vier Jahre nach dem Krieg, herrscht Einvernehmen. Das Grundgesetz steht. Die Hoffnung seiner Mütter und Väter, Bonn soll nie wie Weimar werden.
Franz Heible:„Die Leidenschaft war, einen Staat zu schaffen, der international ansehen hatte und der national einem Volk wieder eine geordnete Zukunft gegeben hat, den jüngeren Generationen Hoffnung zu vermitteln, in der Lage war, wirtschaftlichen Aufbau leisten sollte und ein System sozialer Sicherheit garantieren konnte.”
23. Mai 49, feierlicher Akt in Bonn. Das Grundgesetz wird unterzeichnet. Die Zeremonie soll schlicht sein. Als Schmuck nur ein barockes Tintenfass, zwei stumme Engelchen als Zeugen einer Staatsgründung.
Hildegard Hamm-Brücher:„Ich habe gesagt, die Hauptsache ist, wir werden mal selbständig und lernen mal, wie man eine Demokratie aufbauen kann und so weiter. Wir können ja nicht immer am Gängelband und am Laufstall unserer Sieger da weiter machen, das müssen wir jetzt mal selber machen.”
Die Wahlen zum ersten deutschen Bundestag. 80 Prozent wählen demokratische Parteien. Kanzler wird Konrad Adenauer, mit einer Stimme Mehrheit, der eigenen. Konrad Adenauer: Ich führe es, so wahr mir Gott helfe. 50 Jahre später ist das Land vereint.