Das erste deutsche Parlament – die Frankfurter Nationalversammlung
Das erste deutsche Parlament – die Frankfurter Nationalversammlung
Die Frankfurter Nationalversammlung tagte 1848/49 in der Paulskirche und setzte wichtige Impulse für die deutsche Demokratie. Willst du mehr wissen? Der folgende Text hält spannende Details bereit!
Die Paulskirche als Symbol der deutschen Demokratie
Im März 2024 gab es ein großes Thema im Deutschen Bundestag: „175 Jahre Paulskirche“. Was steckt dahinter? In Gedenkfeiern, Reden und Ausstellungen wurde an das erste frei gewählte deutsche Parlament, die Frankfurter Nationalversammlung, erinnert. Die Nationalversammlung tagte vom 18. Mai 1848 bis Ende Mai 1849 in der eilig zum Tagungsort umgebauten Paulskirche in der Freien Reichsstadt Frankfurt. Zwar wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung damals nicht umgesetzt, ihr Einfluss erstreckt sich aber bis in die heutige Zeit.
Die Frankfurter Paulskirche
Die Wahl zum ersten deutschen Parlament
Mitte des 19. Jahrhunderts bestand Deutschland aus über 40 Einzelstaaten, die größtenteils von Fürsten regiert wurden und seit 1815 lose im Deutschen Bund vereint waren. Im Zuge der Revolutionswelle des Jahres 1848, die mit der Februarrevolution in Frankreich ihren Anfang nahm und als Märzrevolution auf Deutschland überschwappte, kamen revolutionäre neue Ideen auf, die in den Märzforderungen ihren Ausdruck fanden. Immer mehr Menschen forderten einen deutschen Nationalstaat mit gleichen Rechten für alle Bürger, einem frei gewählten Parlament und gesicherter Pressefreiheit.
Die deutschen Fürsten sahen sich angesichts von Aufständen und Protesten zu Zugeständnissen gezwungen und gestatteten die Wahl einer Nationalversammlung mit dem Ziel, eine Verfassung für einen deutschen Bundesstaat zu entwerfen. Am 7. April 1848 beschloss der Bundestag des Deutschen Bunds ein entsprechendes Wahlgesetz.
Wahlberechtigt waren alle selbstständigen Männer ab dem Alter von 24 Jahren, unabhängig von Stand und Einkommen, was für die damalige Zeit als fortschrittlich gelten kann. Die Grundidee war, dass die wählende Person wirtschaftlich unabhängig und damit frei in ihren Entscheidungen sein sollte. Es gab allerdings keine einheitliche Definition von Selbstständigkeit, sodass die Bundesstaaten unterschiedlich interpretierten, wer wählen durfte und wer nicht. Frauen hatten kein Wahlrecht. Die Wahl wurde durch die Einzelstaaten organisiert. Für je 50 000 Einwohnende wurde ein Abgeordneter gewählt. Die gewählten Vertreter kamen größtenteils aus dem Bildungsbürgertum, während die unteren Schichten (wie Kleinbauern und Handwerker) kaum repräsentiert waren. Man sprach deshalb auch von einem Professoren- oder Honoratiorenparlament.
Die Frankfurter Nationalversammlung
Die Nationalversammlung unter ihrem Präsidenten Heinrich von Gagern trat erstmals am 18. Mai 1848 zusammen. Als Reichsverweser übernahm Erzherzog Johann, ein Bruder des österreichischen Kaisers, provisorisch die Regierungsgewalt.
Ziele und Streitfragen
Das wesentliche Ziel der Versammlung war die Ausarbeitung einer Verfassung für einen deutschen Bundesstaat, in der auch Grundrechte für alle Bürger enthalten sein sollten. Im Vorfeld mussten jedoch einige wichtige Streitfragen debattiert werden, deren Klärung sich über Monate hinzog:
Die Frage nach den Staatsgrenzen, oft auch als Deutsche Frage bezeichnet
Die Frage nach der zu wählenden Staatsform: Erbmonarchie, Wahlmonarchie oder Republik, und damit verbunden die Frage nach dem Staatsoberhaupt
Der Umfang der festzuschreibenden Grundrechte
Bei der Deutschen Frage ging es darum, welche Staaten Teil des neuen Bundesstaats werden sollten, was besonders im Fall des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn nicht selbstverständlich war. Zur Wahl standen die großdeutsche Lösung unter Einbezug Österreichs und die kleindeutsche Lösung ohne Österreich.
Politische Gruppierungen in der Nationalversammlung
In der Nationalversammlung bildeten sich Gruppen gleichgesinnter Abgeordneter, die man als „Fraktionen“ bezeichnete und nach ihren Versammlungsorten benannte. Ihre Sitzordnung von links nach rechts entsprach ihrer politischen Gesinnung. Etwa ein Drittel der Abgeordneten war fraktionslos.
„Linke“ Demokraten (15 %), davon ca. 7 % Radikaldemokraten (Donnersberg) und 8 % Gemäßigte Linke (Deutscher Hof)
Liberale (46 %), davon 13 % Linksliberale (Württemberger Hof u. a.) und 34 % Rechtsliberale (Casino, Augsburger Hof u. a.)
„Rechte“ Konservative (6 %, Café Milani)
Das Spektrum der Meinungen war groß: Die Konservativen wollten das bestehende System aus monarchischen Einzelstaaten mit Vorrechten des Adels erhalten. Demgegenüber vertraten die Liberalen die Position des Bürgertums und favorisierten mehrheitlich eine parlamentarische Monarchie. Die eigentlichen Demokraten, also die Befürworter von Volkssouveränität, einem allgemeinen Wahlrecht auch für die besitzlosen Unterschichten und einer republikanischen Staatsordnung, waren deutlich in der Minderheit.
Nationalversammlung in der Paulskirche (zeitgenössische Lithografie)
Ergebnisse der parlamentarischen Arbeit
Angesichts der Meinungsvielfalt im Parlament konnten Mehrheitsentscheidungen nur nach langen Debatten zustande kommen. Dennoch gelang es der Nationalversammlung, einige wichtige Beschlüsse zu fassen.
Der Grundrechtskatalog
Im Dezember 1848 wurde der Grundrechtskatalog beschlossen und damit erstmals die Gleichheit aller Bürger festgeschrieben. Man einigte sich auf umfassende Freiheitsrechte, wie Glaubens-, Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit sowie auf die Freiheit des Eigentums und die Garantie unabhängiger Gerichte. Folter, Todesstrafe sowie Brief-, Pressezensur und Hausdurchsuchungen wurden verboten. Zudem wurden die Vorrechte des Adels abgeschafft. Die Liste der Rechte enthielt allerdings keine sozialen Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf Arbeit.
Die Frankfurter Reichsverfassung
Am 28. März 1849 einigten sich die Abgeordneten schließlich auf die Frankfurter Reichsverfassung. Folgende Kompromisse waren für die Mehrheit annehmbar:
Man entschied sich für eine kleindeutsche Lösung unter Ausschluss des österreichischen Vielvölkerstaats.
Als Staatsform war eine konstitutionelle Monarchie mit dem preußischen König als erblichem deutschem Kaiser vorgesehen.
Die Verfassung sah eine Gewaltenteilung vor.
Dabei bildete der Kaiser mit einer von ihm kontrollierten Reichsregierung die Exekutive, hatte den Oberbefehl über das Heer und ein Vetorecht.
Ein Reichstag mit zwei Kammern, dem Staatenhaus und dem frei gewählten Volkshaus, sollte die Legislative bilden.
Ein Reichsgericht sollte als Judikative fungieren.
Das Scheitern der Nationalversammlung und ihr politisches Erbe
Während die Nationalversammlung debattierte, kam es jedoch in vielen deutschen Staaten zur Konterrevolution. Aufstände wurden niedergeschlagen und den Fürsten gelang es, ihre Herrschaft erneut zu festigen. Die größten und wichtigsten Staaten, wie Preußen, Bayern und Hannover, erkannten die neue Verfassung nicht an und der Nationalversammlung fehlte es letztlich an den Machtmitteln, um ihre Beschlüsse durchzusetzen. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV., der sich dem Gottesgnadentum verpflichtet sah, lehnte die Kaiserkrone verächtlich ab. Nach und nach zogen die Staaten ihre Abgeordneten zurück. Das verbliebene Rumpfparlament musste schließlich nach Stuttgart weiterziehen und wurde dort im Juni 1849 gewaltsam aufgelöst. Damit war die Revolution in Deutschland gescheitert.
Ihr politisches Erbe sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Die Fraktionen der Paulskirche wurden zum Vorbild für die heutige Parteienlandschaft. Das Parlament trug zur Ausarbeitung parlamentarischer Grundlagen, darunter die Geschäftsordnung, die Abläufe bei Abstimmungen und Anträgen und die Mehrheitsfindung, bei. Die festgelegten Grundrechte finden sich in ihren wesentlichen Punkten fast unverändert im heutigen Grundgesetz wieder und auch die Rolle der politischen Öffentlichkeit wurde deutlich gestärkt. Die Nationalversammlung leistete als erstes Parlament auf nationaler Ebene einen fundamentalen Beitrag zur Entwicklung der Demokratie in Deutschland.
Das erste deutsche Parlament – Zusammenfassung
Im Jahr 1848 wurde mit der Frankfurter Nationalversammlung erstmals in der deutschen Geschichte ein Parlament in freier und gleicher Wahl gewählt.
Die Nationalversammlung debattierte offene Fragen zur Entwicklung einer gesamtdeutschen Verfassung, darunter die Deutsche Frage und die Frage nach Staatsform und Staatsoberhaupt.
Im Lauf dieser Debatten bildeten sich verschiedene Fraktionen heraus, von denen eine Mehrheit nicht im heutigen Sinn demokratische Überzeugungen vertrat.
Eines der bleibenden Ergebnisse der Nationalversammlung war die Formulierung von Grundrechten für alle Bürger.
Die von der Versammlung beschlossene Reichsverfassung trat nie in Kraft, hatte aber eine wichtige Vorbildwirkung für die Zukunft der deutschen Demokratie.
¹ https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1050934/umfrage/fraktionen-der-frankfurter-nationalversammlung/ (abgerufen am 16.04.2024 um 09:36 Uhr).
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