Bürgerliches Trauerspiel
In der Epoche der Aufklärung rückt das bürgerliche Trauerspiel die einfachen Bürger ins Zentrum des Geschehens, im Gegensatz zur klassischen Tragödie. Erfahre, wie sich diese Dramenform von den aristokratischen Erzählungen abhebt und welche Merkmale sie kennzeichnen. Interessiert? Erfahre mehr dazu hier!
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Lerntext zum Thema Bürgerliches Trauerspiel
Bürgerliches Trauerspiel – Geschichte und Definition
Das bürgerliche Trauerspiel hat sich teilweise in Abgrenzung zum aristotelischen Drama entwickelt. Ein aristotelisches Drama bzw. eine Tragödie hatte seit der Antike festgelegte Merkmale. Unter anderem sollten darin nur Helden vom hohen Geschlecht, also aus dem Adel, auftreten, da sie mehr zu verlieren hatten als die einfachen Bürgerinnen und Bürger.
In der französischen Klassik (etwa 1660–1715) berief man sich noch auf die Dramenkonzeption von Aristoteles und feierte griechische Dramatiker wie Aischylos, Sophokles und Euripides. Bürgerliche Themen wurden zu dieser Zeit ausschließlich am Jahrmarkttheater und in Komödien aufgegriffen. Die Tragödie war weiterhin dem Adel vorbehalten, denn die adeligen Personen hatten viel mehr zu verlieren als das einfache Bürgertum. Diese sogenannte Fallhöhe machte den Reiz der Adelsgeschichten aus.
Dies änderte sich im Laufe des 18. Jahrhunderts während der Epoche der Aufklärung, als die ersten Autoren das Bürgertum in den Mittelpunkt ihrer Dramen rückten. Denis Diderot etablierte den Begriff drame bourgeois, zu Deutsch bürgerliches Trauerspiel.
Das bürgerliche Trauerspiel bricht mit den Traditionen der klassischen Tragödie. Hier werden Bürgerinnen und Bürger ins Zentrum der dramatischen Handlung gestellt.
Da Gotthold Ephraim Lessing Diderots Schriften sehr gut kannte, schrieb er seinerseits einen Aufsatz mit dem Titel „Das Theater des Herrn Diderot“ und verbreitete die Gedanken zum bürgerlichen Trauerspiel in Deutschland. Lessing führte Diderots Gedanken zum bürgerlichen Trauerspiel in Deutschland ein und verfasste selbst das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel: Miss Sara Sampson (1755). Dieses neue Genre hielt sich bis ins 19. Jahrhundert.
Bürgerliches Trauerspiel – Merkmale
Ein bürgerliches Trauerspiel weist unter anderem folgende Merkmale auf:
- Charaktere aus dem Bürgertum (Hauptfiguren der Handlung)
- Bürgerliches Milieu (Schauplatz der Handlung)
- Standesunterschiede oder kleinbürgerliche Werte (Sozialkritik) als Themenschwerpunkte
- Sprachrohr der Aufklärung
- Drama in Prosaform statt in Versform
Viele weitere Merkmale stimmen mit den Eigenschaften der klassischen Tragödie überein: Die Handlung wird oftmals durch einen Konflikt vorangetrieben, der zu einem tragischen Ausgang führt. So ist es nicht selten der Fall, dass die Hauptcharaktere am Ende sterben. Auch die klassische Drameneinteilung in fünf Akte bleibt zumeist erhalten.
Bürgerliches Trauerspiel – Beispiele
Die folgende Tabelle enthält einige Beispiele für Werke, die dem bürgerlichen Trauerspiel zugerechnet werden können.
Autor | Werktitel |
---|---|
Gotthold Ephraim Lessing | Miss Sara Sampson (1755) Emilia Galotti (1772) |
Friedrich Schiller | Kabale und Liebe (1784) |
Friedrich Hebbel | Maria Magdalena (1844) |
Arthur Schnitzler | Liebelei (1895) |
Gerhart Hauptmann | Rose Bernd (1903) |
Bürgerliches Trauerspiel Übung
-
Beschreibe das aristotelische Drama.
TippsProsa ist normalerweise die Textform von Erzähltexten.
Lösung- Aristoteles lebte ca. 335 v. Chr. im alten Griechenland.
- Er begrenzte den Handlungszeitraum eines Dramas zeitlich auf einen Sonnenumlauf. Auch die Einheit von Ort und Handlung sollte eingehalten werden.
- Formal schrieb er die Versform vor. Prosa bzw. Fließtext findet man eher in moderneren Dramen und in Erzähltexten.
- Das Ziel eines jeden Stückes war laut Aristoteles die Katharsis auf Seiten des Publikums. Die Zuschauer sollten ihre Gefühle durch Jammern und Schaudern „reinigen“.
- Im Gegensatz zum bürgerlichen Trauerspiel mussten die Figuren in einer Tragödie immer von hohem Geschlecht sein, d. h. Götter, Könige, Prinzessinnen etc. In Komödien konnten auch einfache Bürger als Handelnde auftreten.
-
Fasse zusammen, wie das bürgerliche Trauerspiel entstand.
TippsDiderot orientierte sich in seiner Abhandlung an vorhandenen Dramen. Hilft dir das bei der Einordnung?
Überlege noch einmal, wann das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland ankam, wenn Lessing Diderots Idee übersetzte.
Lösung- 1731 schrieb George Lillo „The London Merchant”. Darin waren bürgerliche Figuren zu finden.
- 1741, also zehn Jahre später, schrieb Paul Landois das Drama „Sylvie”, was er auch als „tragédie bourgeoise” bezeichnete.
- 1758 schrieb Denis Diderot seine Abhandlung „Über die dramatische Dichtung”. Er selbst war kein herausragender Dramenautor, aber seine Poetologie revolutionierte das Theater.
- 1760 übersetzte Gotthold Ephraim Lessing Diderots Ideen in seiner Abhandlung „Das Theater des Herrn Diderot”. Seine bürgerlichen Trauerspiele waren große Erfolge. „Miss Sara Sampson” war 1755 das Erste davon.
-
Entscheide, um welche Art von Drama es sich handelt.
TippsSchaue dir vor allem die Figuren der Stücke an. Wenn sie aus adligem und bürgerlichem Stand kommen, handelt es sich um ein bürgerliches Trauerspiel.
Das klassische Drama orientierte sich an der aristotelischen Regelpoetik.
Lösung- Bei „Emilia Galotti” von Gotthold Ephraim Lessing (1772) handelt es sich um ein bürgerliches Trauerspiel. Zusätzlich dazu, dass die Protagonistin dem Bürgertum angehört, wird auch der Konflikt zwischen Adel und Bürgertum thematisiert.
- „Antigone” von Sophokles (ca. 442 v. Chr.) folgt klassisch dem Muster des aristotelischen Dramas. Die Hauptfiguren sind hohen Geschlechts und es liegt eine Einheit von Ort, Zeit und Handlung vor.
- „Die Soldaten” von Jakob Michael Reinhold Lenz (1776) ist ein bürgerliches Trauerspiel aus der Zeit des Sturm und Drang. Lenz verarbeitete die Probleme einer jungen bürgerlichen Frau.
- „Iphigenie in Aulis” von Euripides (ca. 407 v. Chr.) ist ein aristotelisches Drama wie „Antigone” auch. Es beschreibt den Konflikt um ein verfluchtes, königliches Herrschergeschlecht.
- „Don Karlos” von Schiller (1787) ist ein klassisches Drama, welches sich am aristotelischen Drama orientiert. Es beschreibt familiäre Konflikte am Hofe Philipps II. im Rahmen einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Niederlanden und Spanien im Achtzigjährigen Krieg.
-
Analysiere die Dramenszene aus „Miss Sara Sampson”.
TippsIm bürgerlichen Trauerspiel traten Figuren aus dem Bürgertum und dem Adel auf. Woher stammt die Familie von Sara Sampson?
LösungGotthold Ephraim Lessing war der erste deutsche Dramenautor, der das bürgerliche Trauerspiel umsetzte.
- In dieser Szene sprechen Sir William Sampson und sein Diener miteinander.
- Sir Sampson sorgt sich um seine Tochter, die eigentlich tugendhaft ist, aber mit ihrem Geliebten, Mellefont, geflohen ist.
- Die Kürzel „Sir“ und „Miss“ deuten darauf hin, dass es sich bei der Familie um den englischen Landadel handelt.
- Es geht um einen unpolitischen Familienkonflikt. Die Diskrepanzen zwischen Adel und Bürgertum kommen in dem frühen bürgerlichen Trauerspiel noch nicht pointiert zum Ausdruck. Die Handlung wird von der Liebesgeschichte dominiert.
- Die von Aristoteles vorgeschriebene Versform wird von Lessing nicht mehr eingehalten.
-
Gib kurz den Inhalt von „Miss Sara Sampson” wieder.
TippsÜberlege noch einmal, was die Exfrau fühlt. Ist es ein positives Gefühl?
Am Ende des Stückes ist das Paar tot. Was passiert dann mit dem Kind?
LösungIn Lessings Stück „Miss Sara Sampson” werden keine neuen, bahnbrechenden Ideen verarbeitet. Allerdings sind die Hauptfiguren bürgerlich.
- Miss Sara Sampson ist eine gute und tugendhafte Frau.
- Ihr Geliebter hingegen ist eher zweifelhaft und hinterlistig.
- Die beiden haben ein uneheliches Kind.
- Sir William Sampson ist ein liebevoller Vater, Waitwell der treue Diener der Familie.
- Marwood, die Exfrau von Mellefont, ist eifersüchtig.
- Am Ende stirbt das Paar und das Kind wird von Saras Vater betreut.
-
Fasse die bürgerlichen Trauerspiele zusammen.
TippsDer Titel „Maria Magdalena” hat nichts mit dem Stück zu tun. Er wurde gewählt, um Interesse bei der Leserschaft zu wecken.
In „Kabale und Liebe” ist die Liebe gegenseitig vorhanden, jedoch nicht erlaubt.
Lösung- „Emilia Galotti” von Gotthold Ephraim Lessing handelt von dem Prinzen von Guastalla, der versucht, ein bürgerliches Mädchen für sich zu gewinnen. Dabei wird klar, wie der Adel willkürlich Macht auf das Bürgertum ausübt.
- In „Kabale und Liebe” von Friedrich Schiller sind beide Hauptfiguren ineinander verliebt. Allerdings können die bürgerliche Luise und der adlige Ferdinand aufgrund von Standesunterschieden nicht zusammen sein.
- In „Maria Magdalena” von Friedrich Hebbel geht es um die bürgerliche Klara, die ein uneheliches Kind erwartet.
- Auch in „Rose Bernd” von Gerhart Hauptmann erwartet die bürgerliche Hauptfigur ein uneheliches Kind. Diesmal ist der Vater aber ein verheirateter Mann.
- In „Liebelei” von Arthur Schnitzler geht es wortwörtlich um eine Liebelei des wohlhabenden Studenten Theodor mit der armen Christine.
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