Englands Industrialisierung war der Motor der Industriellen Revolution. Politische Stabilität, Unternehmertum und Rohstoffvorkommen schufen ideale Voraussetzungen. Interessiert? Erfahre mehr über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren im folgenden Text!
England als Ursprungsland der Industriellen Revolution
Wenn wir heute von einer Industriellen Revolution sprechen, erscheint das auf den ersten Blick vielleicht etwas übertrieben. Im Vergleich zu Straßenkämpfen und der Hinrichtung des Königs in Frankreich, die im Zuge der Französischen Revolution stattfanden, wirken technische Neuerungen weniger radikal. Doch auch bei der Industriellen Revolution geht es um fundamentale Umwälzungen in Gesellschaft und auch Wirtschaft, ohne die unser modernes Leben undenkbar wäre. Aus vorwiegend ländlich und handwerklich geprägten und vom Adel dominierten Gesellschaften entwickelten sich im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts moderne Industriestaaten mit einer wachsenden Stadtbevölkerung und einem zunehmend selbstbewussten Bürgertum. Anstelle von kleinen Handwerksbetrieben wurden Güter mehr und mehr in Fabriken mithilfe von Maschinen produziert. Der Vorreiter bei dieser Entwicklung war England, wo die Industrialisierung bereits ab der Mitte des 18. Jahrhunderts begann. Dafür gab es eine ganze Reihe von Gründen, die wir im Folgenden näher betrachten werden.
Gesellschaftliche Voraussetzungen der Industrialisierung
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern konnte England zu diesem Zeitpunkt auf eine längere Periode politischer Stabilität zurückblicken. Seit der Glorious Revolution von 1688 hatte es keine ernsthaften Versuche gegeben, die bestehende Gesellschaftsordnung zu verändern. Die konstitutionelle Monarchie war als Staatsform stabil und Kriege spielten sich nur außerhalb des Lands ab.
Auch das Bild des selbstbewussten Unternehmers, der ohne staatliche Einmischung in Produktionsmittel investierte, war seit Adam Smiths Aufsatz The Wealth of Nations im Bewusstsein der gebildeten Mittelschicht etabliert. Im Vergleich zu den teils starren Ständeordnungen in Kontinentaleuropa war die soziale Mobilität in England höher und die Gesellschaft durchlässiger für sozialen Aufstieg.
Wirtschaftliche Faktoren
Der industriellen Revolution ging in England eine Periode des Fortschritts in der Landwirtschaft voraus. Durch neue Methoden in Ackerbau und Viehzucht stiegen die Erträge und ermöglichten ein schnelles Bevölkerungswachstum und eine höhere Nachfrage nach Gütern. Die Umwandlung von Weideland in große Bauerngüter führte zur Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte. Durch diese Urbanisierung der Gesellschaft standen zahlreiche Arbeitskräfte für die sich entwickelnde Industrie zur Verfügung. Eine Besonderheit Englands war dabei, dass diese Arbeitskräfte relativ hoch qualifiziert und gut bezahlt waren.
In England standen in ausreichenden Mengen Rohstoffe zur Verfügung, vor allem Kohle, aber auch Eisenerz, Blei, Kupfer und Zinn. Mit der Kohle als billiger Energiequelle war ein Anreiz geschaffen, durch Mechanisierung von Arbeitsprozessen die hohen Lohnkosten zu senken.
England verfügte mit zahlreichen Flüssen und Seehäfen bereits über gute Möglichkeiten zum Warentransport. Im Verlauf des Industriezeitalters wurden die Transportwege durch den Bau von Kanälen, Schleusen, Straßen und Eisenbahnen weiter ausgebaut.
Das Bankensystem in England war bereits gut entwickelt. Bereits 1770 eröffnete die erste Börse in London. Neu gegründete Banken und Aktiengesellschaften stellten ausreichend Kapital für die Modernisierung von Betrieben zur Verfügung.
Das britische Empire war eine bedeutende globale Handelsmacht. Die Kolonien in Nordamerika, der Karibik, Afrika, Australien und Indien lieferten billige Rohstoffe, wie Wolle, Baumwolle, Holz und Gummi, und waren gleichzeitig ein Absatzmarkt für in England hergestellte Güter. Die Einkünfte aus dem Sklavenhandel lieferten zusätzlich Kapital für Investitionen. Der Staat unterstützte dieses Wirtschaftsgefüge aktiv durch Monopole wie das der East India Company, Schutzzölle und den Einsatz der Flotte zum Schutz von Handelsschiffen.
Erfindungen und Innovationen
Diese Bedingungen bildeten einen idealen Nährboden für technische Erfindungen und Innovationen. Ein Vorreiter war die Textilindustrie. Spinn- und Webmaschinen (siehe Abbildung Spinning Jenny) und mechanische Webstühle ermöglichten eine erhebliche Erweiterung der Produktion bei niedrigeren Preisen. Die neuen Maschinen wurden zunächst mit Wasserkraft, später mit Dampf angetrieben.
Die von James Watt zwar nicht erfundene, aber deutlich verbesserte Dampfmaschine erleichterte im Bergbau den Abbau der Kohle aus immer tieferen Schächten, aus denen Wasser abgepumpt werden musste. Mit dem Ausbau der Eisenbahn beschleunigten Dampflokomotiven wiederum den Warentransport.
Auch in der Landwirtschaft lösten dampfbetriebene Ernte- und Dreschmaschinen die Handarbeit und die Nutzung von Wind- und Wasserkraft ab. Neu entwickelte Hochöfen produzierten qualitativ hochwertiges Eisen und Stahl und ermöglichten so die Herstellung von Werkzeugen und Maschinenteilen für andere Industrien.
Ebenfalls eine englische Erfindung ist der moderne Zement. Er ermöglichte den Bau von Kanälen für die Schifffahrt und den Ausbau der Abwassersysteme.
Die Entwicklung der sozialen Frage
Die Verstädterung und der Ausbau von Fabrikarbeit brachten auch viel soziale Ungerechtigkeit mit sich. Gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen, Zwölfstundenschichten und Kinderarbeit waren gang und gäbe und führten letztlich zu Protesten und Gegenbewegungen.
Im 19. Jahrhundert versuchten die Ludditen, durch die Zerstörung von Maschinen die immer stärkere Mechanisierung im Textilhandwerk aufzuhalten. Ihre Bewegung wurde gewaltsam niedergeschlagen.
England wurde aber auch zum Vorreiter bei der Entwicklung von Gewerkschaften zum Schutz der Arbeiter. Unter anderem aus dieser Gewerkschaftsbewegung ging schließlich auch die Labour Party als Interessenvertretung der Arbeiter hervor.
Zusammenfassung – Industrielle Revolution in England
In England herrschten Mitte des 18. und frühen 19. Jahrhunderts ideale gesellschaftliche und wirtschaftliche Voraussetzungen für die Industrialisierung. Dazu zählten:
Politische Stabilität
Unternehmertum
Bevölkerungswachstum
Rohstoffvorkommen und -lieferanten
Gut ausgebautes Verkehrsnetz
Innovationen und Erfindungen
Kolonien als Absatzmärkte für heimische Güter
Häufig gestellte Fragen zum Thema England als „Motor“ der Industriellen Revolution
Patente schützten die Rechte von Erfindern, fortschrittliche Finanzgesetze bildeten die rechtliche Grundlage für Investitionen. Außerdem sicherte der Staat das Eigentumsrecht der Unternehmer.
Das durchschnittliche Bildungsniveau war höher als anderswo in Europa und das Interesse an Wissenschaft und Technik höher. Ausländische Ideen wurden aufgegriffen und weiterentwickelt. Das Patentrecht schützte die Rechte der Erfinder, außerdem war ausreichend Kapital und Investitionsbereitschaft vorhanden.
Positiv hervorzuheben sind der Rückgang von Hungersnöten und die bessere Qualität des Essens sowie die wachsende Rolle von Sport und Unterhaltung und verbesserte Transport- und Kommunikationswege. Dagegen stehen die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, die Gesundheitsschäden durch die steigende Umweltverschmutzung und die schlechten Lebensbedingungen in den überfüllten Städten.
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