Im November 1541 kommt in Fodele auf der Insel Kreta Dominikos Theotokópoulos zur Welt. Berühmt wird er unter dem Namen El Greco, der Grieche. Dieser Name wird ihm in der spanischen Hauptstadt Toledo zur Zeit seiner höchsten Schaffenskraft verliehen. Die diversen Selbstbildnisse El Grecos stammen aus verschiedenen Lebensabschnitten und zeigen ein langes Gesicht mit ausgeprägter Nase, besonders starke Empfindsamkeit und ein lebendiges Funkeln in den gequälten Augen. Es ist ein Menschentyp, der in den Bildern des El Greco immer wieder zu finden ist. Kreta war lange unter der Herrschaft der Venezianer. Und deshalb ist es natürlich, dass sich El Greco nach einer vorangegangenen Ausbildung im byzantinischen Stil mit dem Werk der großen venezianischen Maler des 16. Jahrhunderts befasst. Das sind vor allem Tizian, Veronese, Tintoretto und Bassano. Die moderne Forschung versucht eine frühe Periode seines Schaffens sowohl in Venedig als auch in Rom zu rekonstruieren. Demnach ist El Greco um 1560 nach dem Tode des Vaters, eines Madonnenmalers, nach Venedig gekommen. Er hat dort in der Werkstatt Tizians gearbeitet. In seinen weiblichen Figuren sind aber auch Ähnlichkeiten mit denen des manieristischen Malers Parmigianino zu erkennen. Die Anwesenheit in Venedig ist durch einen Brief des Tizian von 1566 belegt, der König Philipp II. von Spanien einen El Greco empfiehlt, den er als sehr begabt und als seinen Schüler bezeichnet. Im Jahre 1570 spricht der Miniaturenmaler Giulio Clovio in einem Brief an den Kardinal Farnese von dem jungen Kreter. Die Atmosphäre der Gegenreformation findet in Bildern des El Greco Ausdruck, auch im oft wiederholten Thema der Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel. In diesen Bildern sind Charaktere des Tintoretto erkennbar. Der Einfluss Tizians ist grundlegend in den neuen Gemälden für die Kirche Santo Domingo, für die El Greco den Auftrag aus Toledo erhalten hat. Dort befindet er sich seit dem Jahre 1577 und wird bis zu seinem Tod 1614 als geschätzter Künstler tätig sein. El Greco wird von der Natur und dem Geist der Landschaft durchdrungen. Er wirft sich förmlich in sie hinein, gleich, wie er sich von ihr durchdringen lässt. Der Maler bemächtigt sich des Himmels, der Erde und vor allem des Genius‘ Spaniens. Die Aufträge folgen rasch. Es entstehen großartige Kompositionen, gefüllt mit Menschen, Engeln und Heiligen unter dem Licht des hohen Himmels. El Greco malt sie als seine typisch überlangen, schmalgesichtigen Gestalten. Die Gemälde Traum Philipps des Zweiten im Kloster des Escorial und Das Begräbnis des Grafen Orgaz in der Kirche von Santo Tomé sind Ausdruck des spanischen Geistes, den der Künstler im Einklang mit seinem Genie auszudrücken vermag. Gewalt, Traurigkeit, Würde, Ergriffenheit und, nicht zu vergessen, der Mystizismus. El Greco findet einen Weg, der tatsächlich der seine genannt werden kann, und schreitet ihn unruhig fort. Er steht im ständigen Kampf mit Hell und Dunkel, dem Problem von Farbe und Licht, das bis heute das wahre Problem der Malerei geblieben ist. Die Pinselstriche entsprechen der Aufregung der gequälten Seele. Die verformten Bilder verwischen sich im überstrahlenden Licht. Weit gestreckt unter dem fahlen Schimmer eines unwirklichen Himmels präsentiert sich der Blick auf Toledo, auf jene Stadt, die die Kunst des El Greco inspiriert hat. Diese mystische Vision ist ein spätes Meisterwerk des Künstlers. El Greco beschließt so auf spanischer Erde die Epoche des italienischen Manierismus.