Hi, ich bin’s, Tim.
Sprache wird schon seit ewigen Zeiten immer wieder aus verschiedenen Richtungen kritisiert, denn sie ist alles andere als perfekt, und Menschen hatten immer wieder etwas an ihr auszusetzen. Das betrifft z.B.
1. die philosophische Epistemologie, die Sprache als unvollkommenes Instrument der Erkenntnis kritisiert,
2. die Soziologen, die Sprache kritisieren, weil sie soziale Ungleichheit festsetzt und reproduziert und die damit eine Gesellschaftskritik äußert
und 3. die Sprachkritik als Sprachpflege, die sich um eine gewisse “Reinheit” und Verständlichkeit der Sprache bemüht.
Auf zu neuen Taten, sehen wir uns den Bereich der Sprachkritik mal genauer an!
Wenn wir Dinge erkennen, tun wir das nicht nur über unsere Augen, Ohren und andere Sinne. Wir synthetisieren und assoziieren, kategorisieren und kommunizieren unsere Eindrücke über Sprache und werden dadurch erst befähigt, die Welt zu begreifen. Die Epistemologie, also die philosophische Lehre von der Erkenntnis, beschäftigt sich daher mit der sprachlichen Strukturiertheit unseres Denkens. Sie kritisiert, dass Sprache ein sehr unvollkommenes Instrument zur Erfassung der Wirklichkeit ist, denn sie schafft zwar Gemeinsamkeit zwischen ihren Sprechern, ist aber bei Individuen sehr verschieden: Jeder nimmt Dinge anders wahr, weil er oder sie anders spricht und Objekte anders benennt und verknüpft. Die Epistemologie bestreitet somit, dass es sichere, sozusagen objektive Wahrheiten gibt, da diese immer sprachlich vermittelt sind und wir nur Ausschnitte der Objekte versprachlichen. Dinge, die wir nur schwer begreifen können wie z.B. “Gott”, das “Nichts” oder der “Tod”, bleiben uns also ein immer wiederkehrendes Rätsel, das wir ewig weiter interpretieren müssen.
Da Worte wie “Gott” weitreichende Folgen für unsere Gesellschaft haben, wendet sich auch die Soziologie der Sprachkritik zu. Sie kritisiert, dass sich durch Sprache soziale Ungleichheiten festsetzen und reproduzieren, diese Ungleichheiten durch gleichbleibenden Sprachgebrauch also überleben können. In diesem Feld gibt es etliche Unterbereiche, von dem einen z.B. die feministische Sprachkritik darstellt. Diese Kritik sagt, dass Männer durch bestimmte Formen der Grammatik und des Vokabulars gegenüber Frauen bevorzugt werden. Dass wir bei der Aufzählung der grammatischen Personen immer “er, sie, es” und nicht “sie, er, es” oder sogar “sie, es, er” sagen, stellt die männliche Form bleibend an erste Stelle. Außerdem hatte die feministische Sprachkritik die Folge, dass wir beispielsweise Jobausschreibungen auch direkt an Frauen richten, damit sich nicht nur Bewerber, sondern auch Bewerberinnen, nicht nur Lehrer, sondern auch Lehrerinnen angesprochen fühlen.
Die dritte Kategorie ist die Sprachpflege, und damit das, was wir in der Schule eigentlich unter Sprachkritik verstehen. Hier werden sprachliche Äußerungen im Detail bewertet. Diese Bewertung kann dabei eher positiv im Sinne einer Empfehlung oder eher negativ sein.
Die sprachpflegerische Kritik geht dabei auf verschiedene sprachliche Phänomene ein. Darin enthalten ist die Wortwahl, denn wir verwenden alle ein mehr oder minder unvollkommenes Vokabular, um die Wirklichkeit zu beschreiben. Kritisiert werden dabei vor allem Worte aus Wortfeldern, die die Macht haben, die Realität zu verdecken. Dazu gehören z.B. Neologismen, ideologische Beschreibungen, Stereotype und Euphemismen. Ein Beispiel für einen zu kritisierenden Euphemismus ist das politische Schlagwort der “Rentenreform”, für das “Rentenkürzung” viel angemessener wäre. Eine “Kürzung” ist zwar auch eine Änderung und daher eine Umformung, die Verschlechterung der finanziellen Situation wird hier aber ausgeblendet und durch das positiv konnotierte Wort “Reform” ersetzt.
Weiterhin kommen uns immer wieder Beschwerden über den inflationären Gebrauch von Anglizismen in der deutschen Sprache zu Ohren. Anglizismen werden entweder eingeführt, weil es keine gute Übersetzung gibt, sie im internationalen Raum also notwendig zur Kommunikation sind oder weil sie als Modeerscheinungen, z.B. in der Werbung, Zuschauer “catchen”, also fangen wollen. Hier setzt die Sprachkritik an, die auch von moralischer Seite her rügt, dass Zuschauer durch teilweise unbekannte, jedoch modern klingende Anglizismen überrumpelt und verlockt werden sollen.
Die Sprachkritik betrachtet außerdem auch Techniken der Abwertung und Diffamierung, z.B. herabsetzende Bezeichnungen wie “Softi” oder “Weichei” für nicht vollkommen harte Männer, “Penner” und “Schnorrer” für eigentlich “Arme” und “Asylant” statt “Asyl-Suchendem”, wenn gleichzeitig die lautliche Verbindung zu “Querulant” und “Simulant” hervorgerufen wird. Die meisten Schimpfwörter fallen unter diese Kategorie.
Wie jede Kritik kann auch Sprachkritik durch verschiedene Faktoren motiviert sein, sei es aus Angst oder anderen ideologischen Motiven. Dabei können wir drei verschiedene Haltungen beobachten:
1. die konservative Haltung. Man beschwert sich über den Sprachverfall und bevorzugt die “hohe” Sprache großer und längst dahingeschiedener Deutscher, wie die Luthers oder Goethes.
2. die puristische Haltung. Man lehnt die Übernahme und Benutzung von Fremdwörtern ab, da sie die “Reinheit” der deutschen Sprache herabsetzen. Zum Glück kann man einwenden, dass die deutsche Sprache schon immer auf anderen, auch älteren Sprachen basiert.
und 3. die historische Haltung. Sie beruft sich auf die Etymologie, also die Herkunft, der Worte. Denn manchmal verwenden wir Ausdrücke wie z.B. “neu renovieren”, obwohl das “neu” schon in “renovieren” enthalten ist. Andere Fehler sind logischer Art, wie z.B. “das Einzigste”: eine Steigerung von einem “einzigen” gibt es nicht, da “einzig” schon die kleinste Einheit darstellt.
Zuletzt will ich noch auf die Effekte der Sprachkritik zu sprechen kommen, hier vor allem im Bezug auf die “Political Correctness”: Wie ich schon sagte, setzen sich soziale Ungleichheiten und Diskriminierungen in Sprache fest. Um das zu vermeiden, benutzen wir als Resultat der ausgeübten Sprachkritik bei heiklen Themen eine möglichst politisch korrekte Sprache. So verwenden wir die Bezeichnungen “Afroamerikaner” oder “Menschen mit Migrationshintergrund”. Inwiefern diese Neologismen aber wirklich etwas ändern können und nicht nur Euphemismen werden, bleibt ungewiss.
Fassen wir also noch mal zusammen:
Sprachkritik findet sich in den Bereichen
- der Epistemologie, also der Kritik an der Erkenntnisfähigkeit der Sprache,
2. der Soziologie, da Ungleichheiten der Gesellschaft in der Sprache kritisiert werden,
und 3. der Sprachpflege, wobei Neologismen, ideologische Beschreibungen, Stereotype, Euphemismen, Anglizismen und Abwertungen in unserer Sprache kritisiert werden.
Dabei gibt es verschiedene berechtigte Haltungen zu diesem Thema, nämlich die konservative, die puristische und die historische, die jeweils ihre eigenen Ideologien verfolgen.
Das war’s soweit, wir sehen uns wieder! Ciao!