Lerntypen – Theorie und Praxis
Lernstile beschreiben verschiedene Arten des Lernens, z.B. durch Sehen, Hören, Machen oder Denken. Frederic Vester identifiziert vier Lerntypen: Seher, Hörer, Macher und Denker. Ob es allgemeingültige Lerntypen gibt, ist umstritten. Interessiert? Erfahre mehr im ausführlichen Text!
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Lerntext zum Thema Lerntypen – Theorie und Praxis
Lerntypen – Definition
Wenn man lernt, eignet man sich neue Kenntnisse oder Fertigkeiten an. Dabei gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Man kann zum Beispiel einen Text lesen, ein Video oder Bilder anschauen, einen Podcast oder ein Hörbuch anhören oder etwas selbst ausprobieren. Solche unterschiedlichen Arten, etwas zu lernen, nennt man auch Lernstile.
Es ist ein naheliegender Gedanke, dass verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Lernstilen unterschiedlich gut lernen können – Lernen ist schließlich eine sehr individuelle Angelegenheit. Daraus erwachsen ist das Modell der Lerntypen.
Hinter dem Modell der Lerntypen steckt die Vorstellung, dass jeder Mensch eine bevorzugte Lernaktivität hat und somit einem bestimmten Typ zuzuordnen ist, der durch einen bestimmten Lernstil besonders effektiv angesprochen werden kann.
In der Regel ist damit ein Wahrnehmungskanal gemeint, also das Ansprechen eines bestimmten Sinnes (z. B. Sehen, Hören oder Ertasten).
Hier müssen wir allerdings einhaken:
Die Theorie, wonach jeder Mensch einem bestimmten Lerntyp zuzuordnen wäre, ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Dass es aber verschiedene Lernstile gibt, die in bestimmten Situationen für manche besser funktionieren und für manche weniger gut, daran besteht kein Zweifel.
Deshalb ist es sinnvoll, sich anzusehen nach welchen Kriterien Lerntypen unterschieden werden und wie diese mit den Lernstilen zusammenhängen – schließlich möchtest du wissen, welcher Lernstil zu dir passt, nicht wahr?
Lerntypen in der Theorie
Eine mittlerweile weit verbreitete Lerntypentheorie wurde in den 1970er Jahre vom Biochemiker Frederic Vester aufgestellt. Er hat vier Lerntypen vorgeschlagen:
4 Lerntypen nach F. Vester | ||
---|---|---|
Seher | optisch-visueller Lerntyp | lernt durch sehen, beobachten und lesen |
Hörer | auditiver Lerntyp | lernt durch hören und zuhören |
Macher | haptisch-kinästhetischer Lerntyp | lernt durch anfassen und ausprobieren |
Denker | intellektueller/kognitiver Lerntyp | lernt durch sprechen und nachdenken |
Achtung! Vesters Theorie der Lerntypen gilt als unwissenschaftlich, da sie sehr oberflächlich und in Teilen inkonsistent (unstimmig) ist. Er selbst schränkte zwar ein, dass sich kein Mensch exakt einem einzigen Lerntyp zuordnen lässt, trotzdem bleibt seine These, dass Menschen bestimmte Sinnesorgane oder -wahrnehmungen beim Lernen generell bevorzugen, sehr schwammig und ist letztlich nicht gut begründet.
Daneben gibt es noch weitere Lerntypentheorien und insbesondere weitere Arten von Einteilungen, zum Beispiel diese hier:
- visuell: lernt durch Bilder, Skizzen und Diagramme
- auditiv: lernt durch gesprochene Wörter und Tonaufnahmen
- lesend-schreibend: lernt durch Text beim Lesen und Schreiben
- kommunikativ: lernt durch Gespräche, Diskussionen und Austausch mit anderen
- haptisch/motorisch/kinästhetisch: lernt durch Greifbares, durch Anfassen und Bewegung
- intellektuell/kognitiv: lernt durch Gedankenspiele, durch Reflektieren und Hinterfragen
Kritik an der Lerntypentheorie
Die Lerntypentheorie ist ein Modell, das sehr kritisch zu betrachten ist. Sie behauptet einen sehr einfachen Zusammenhang: Finde deinen Lerntyp heraus und lerne entsprechend, dann kannst du besser lernen.
Diese Denkweise ist jedoch falsch und irreführend – und kann sogar Nachteile mit sich bringen.
Bisher konnte durch keine wissenschaftliche Studie zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass Lerntypen einen Einfluss auf den Lernerfolg hätten. Nicht einmal eine Zuordnung der Lerntypen konnte konsistent und widerspruchsfrei vorgenommen werden.
Das wundert nicht, betrachtet man die vielen Mängel der Lerntypentheorie:
- Das Modell betrachtet nur die Informationsaufnahme über die Sinnesorgane und lässt außer Acht, was bei der Informationsverarbeitung im Gehirn passiert.
- Die Art und der Einfluss des Lerngegenstands auf den Lernprozess wird nicht berücksichtigt.
- Genauso wenig werden das Vorwissen, die Motivation, Konzentration, Reflexionsfähigkeit sowie Organisationsstrategie der Lernenden mit einbezogen. All diese Faktoren haben aber erwiesenermaßen einen großen Einfluss auf den Lernprozess.
Die Lerntypentheorie setzt vereinfacht Sinneseindrücke mit Lernen gleich und behauptet, aus persönlichen Vorlieben müssen zwangsweise auch größere Lernerfolge folgen. Dieser Zusammenhang konnte jedoch nicht belegt werden.
Sicher ist: Es gibt keinen Lerntypen, der am besten ist oder am besten passt.
Man könnte allerdings zugestehen, dass eben jeder Mensch eine Mischung verschiedener Lerntypen in sich vereint und vielleicht mal auf die eine, mal auf die andere Art effektiver lernt.
Aber wenn jeder individuell unterschiedlich ist und unterschiedlich lernt, was kann die Einteilung in Lerntypen dann überhaupt bringen?
Lerntypen in der Praxis
Wenn du dich auf einen vermeintlich eigenen Lerntypen versteifst, schadest du dir eventuell am Ende sogar. Manche Dinge lernt man besser auf die eine, andere besser auf die andere Art. Die Fokussierung auf einen Lerntyp lenkt von besseren Methoden ab, ist oft ineffektiv und dabei unnötig aufwändig.
Aber einen wichtigen Punkt verdeutlicht die Auseinandersetzung mit Lerntypen tatsächlich:
Es ist sinnvoll, sich darüber Gedanken zu machen, über welche Kanäle der Lernprozess gefördert werden kann.
Du solltest dich nicht einem Lerntyp zuordnen, aber du solltest dir bewusst sein, dass es verschiedene Lernstile gibt und dass du je nach Lernsituation auf die eine Art vielleicht effektiver lernen kannst als auf die andere.
Beobachte dich also beim Lernen und stelle Fragen – reflektiere die Art, wie du lernst:
- Lerne ich gerade effektiv? Vielleicht lernst du zum Beispiel Vokabeln besser, wenn du sie laut aussprichst, aufnimmst und anhörst.
- Wie kann ich den Stoff besser verstehen? Vielleicht hilft dir eine bildliche Darstellung, um einen abstrakten Zusammenhang besser nachzuvollziehen.
- Kann ich mich gerade konzentrieren? Vielleicht fällt es dir in einer lauten Umgebung leichter, einen Text zu lesen, als ein Video zu schauen.
Wähle den Lernstil bzw. die Methode, die gerade zum aktuellen Lerngegenstand und zu deiner Lernsituation am besten passt. Und unterschätze nicht, wie effektiv es sein kann, den gleichen Lerninhalt über mehrere verschiedene Kanäle aufzunehmen.
Je mehr deiner Sinne du beim Lernen ansprichst, desto mehr Verknüpfungen bilden sich in deinem Gehirn und desto besser kannst du das Gelernte abspeichern. Um möglichst erfolgreich zu lernen, ist es also sinnvoll, sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen und es sich über verschiedene Lernstile zu erschließen, die unterschiedliche Sinne ansprechen. Auf diese Weise kannst du die Welt um dich umfassender und besser begreifen.
Die verschiedenen Lernstile lassen sich ebenso unterteilen wie die Lerntypen
(z. B. visuell, auditiv, lesend-schreibend, kinästhetisch und kommunikativ).
Allerdings ist damit nur die Einteilung von Lernmethoden gemeint, nicht der oder die Lernende selbst.
Sehen wir uns anhand einiger Beispiele an, wie wir Lernmethoden den verschiedenen Lernstilen zuordnen können:
- Mindmaps und Lernplakate sind Methoden fürs visuelle Lernen. Bilder und Grafiken sprechen uns visuell an: Mit Skizzen, Schemata und Schaubildern können große Datenmengen anschaulich gemacht werden. Diagramme, Graphen und Animationen machen komplexe Zusammenhänge und Vorgänge verständlich. Symbole, Sprachbilder und sogar Gesten können dabei helfen, das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Auf Karteikarten oder auch Spickzetteln funktionieren kleine Bilder, Symbole oder farbige Markierungen oft besser als blanker Text.
- Zu den Methoden fürs auditive Lernen gehören das Zuhören bei mündlichen Erklärungen anderer und das Paraphrasieren, also das laute Wiederholen in eigenen Worten. Merksprüche oder Eselsbrücken können durch eine besondere Sprachmelodie oder einen Rhythmus ergänzt werden, um sich noch eingängiger zu machen. Podcasts und Hörspiele sind typische auditive Lernformate.
- Texte finden wir überall. Die Methoden, bei denen es ums Lesen und Schreiben geht, werden von den visuellen Methoden unterschieden, weil die Textverarbeitung anders abläuft als die Verarbeitung von Bildern. Für die Arbeit mit Texten braucht man Zeit und Ruhe. Lesetechniken wie die SQ3R-Methode und das Erstellen schriftlicher Zusammenfassungen sind entsprechende Methoden. Texte sollten zum Nachdenken anregen und auch hinterfragt werden.
- Kinästhetische (auch haptische oder motorische) Methoden sind immer etwas, das man mit den Händen tut. Etwas basteln oder bauen, ein Experiment durchführen oder sogar ein Rollenspiel aufführen – hier gibt es etwas zum Anfassen, etwas, das man Machen oder wenigstens Ausprobieren kann. Manchmal lässt sich etwas im wahrsten Sinne des Wortes besser begreifen, wenn man es in der Hand hat.
- Ein kommunikativer Lernstil beinhaltet den Austausch und die Diskussion mit anderen. Auch gegenseitiges Abfragen, eigene Vorträge und die aktive Mitarbeit im Unterricht sind Methoden, über die man viel lernen kann, da man sich mit den Standpunkten und Ansichten der anderen auseinandersetzen muss. Durch das Lernen in einer Gruppe oder mit einem Lernpartner bzw. einer Lernpartnerin wird man mit Sichtweisen konfrontiert, auf die man alleine vermutlich gar nicht gekommen wäre.
Du siehst, all diese Herangehensweisen haben jeweils ihre Vorteile. Wenn du Schwierigkeiten beim Lernen hast, stelle dir die Frage, ob ein anderer Zugang für ein bestimmtes Problem vielleicht besser funktionieren könnte.
Modell nach D. Kolb
Es gibt mehrere Theorien und Modelle, die beschreiben, welche Rolle verschiedene Lernstile im persönlichen Lernprozess spielen können. Der Psychologe David Kolb skizzierte ein Modell, das verschiedene Phasen des Lernens unterscheidet.
Je nachdem, in welcher Phase sich eine Person gerade in ihrem Lernprozess befindet, können verschiedene Lernstile unterschiedlich effektiv sein:
- Divergieren, entdecken, erfahren: In dieser Phase macht man eine konkrete Erfahrung oder Beobachtung. Visuelle oder auditive Reize spielen hier oft eine große Rolle und regen die Vorstellungskraft an. Neugierige, begeisterungsfähige Menschen sind begabte Entdecker und kommen leicht vom Beobachten ins Handeln. Durch Reflexion und Austausch mit anderen kann der Lerngegenstand zudem aus mehreren Perspektiven betrachtet werden.
- Assimilieren, nachdenken, reflektieren: In dieser Phase versucht man, eine Beobachtung in Worte zu fassen, in die eigenen Denkmuster einzufügen oder unter einem Begriff zusammenzufassen – oft lesend und schreibend. Menschen, die es gewohnt sind, Probleme zu abstrahieren und das große Ganze im Blick zu behalten, fällt diese Begriffsbildung leichter. Die Kenntnis einer Vielzahl von Fakten sowie theoretische Modelle und Konzepte helfen dem Denker dabei, den Überblick zu behalten und Schlussfolgerungen zu ziehen.
- Konvergieren, entscheiden: Wenn man sich einen Begriff von etwas gemacht hat – also begriffen hat, worum es geht – kommt in dieser Phase nun das Machen. Das muss nicht gleich die perfekte Ausführung einer Idee sein, aber es geht darum, das Gelernte in die Tat umzusetzen: ausprobieren, experimentieren, kinästhetisch Ergebnisse erarbeiten und weitere Schlüsse ziehen. Menschen, bei denen der Wunsch nach einen greifbaren Resultat stärker ist als die Angst davor, daneben zu greifen, sind besonders gute Entscheider und Macher.
- Akkomodieren, ausgestalten: Bei der Anwendung läuft selten alles glatt – üblicherweise treten weitere Probleme auf oder neue Zusammenhänge werden sichtbar, die berücksichtigt werden müssen. In der letzten Phase geht es darum, die Problemlösung an neue Erfahrungen anzupassen und eine geeignete Praxis zu finden. Die Fähigkeit, flexibel oder intuitiv reagieren zu können und ein pragmatischer Umgang mit Fehlern und Schwächen ermöglichen es dem Praktiker, auch für knifflige Situationen eine Lösung zu finden.
Man lernt nie aus – den Spruch kennst du sicherlich. Dementsprechend beginnt der Zyklus der beschriebenen vier Phasen des Lernens auch immer wieder von vorne. Gib Acht, dass du nicht in einer der Phasen stecken bleibst!
Zusammenfassung der Lerntypen
- Die Einteilung von Lernenden in verschiedene Lerntypen ist unwissenschaftlich und bringt keinen nachweisbaren Vorteil.
- Verschiedene Lernstile (visuell, auditiv, lesend-schreibend, kinästhetisch und kommunikativ) und damit verbundene Methoden können je nach Lerngegenstand und Lernsituation individuell genutzt werden, um den Lernerfolg zu verbessern.
- Überprüfe und hinterfrage deinen Lernprozess. Wenn du in bestimmten Fällen Schwierigkeiten beim Lernen hast, probiere einen Zugang über einen anderen Lernstil bzw. eine andere Methode und suche den Austausch mit anderen.
- Je mehr Kanäle bzw. Sinne du beim Lernen nutzt, desto effektiver kannst du lernen und desto leichter findest du Methoden, die zu deiner Situation und deinen Vorlieben jeweils am besten passen.
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