Das fliegende Klassenzimmer – Zeitgeschehen um das Jahr 1933
Als der Schriftsteller Erich Kästner (1899–1974) begann, das Kinder- und Jugendbuch Das fliegende Klassenzimmer zu schreiben, hatte für Regimegegnerinnen und Regimegegner des Nationalsozialismus, Menschen jüdischer Herkunft und viele andere Gruppen bereits eine angstvolle Zeit begonnen: Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler Reichskanzler und die nationalsozialistische Regierung übernahm die Macht in Deutschland. Erich Kästner war zu dieser Zeit bereits ein bekannter und erfolgreicher Kinderbuchautor.
Schriftsteller Erich Kästner im Jahr 1933
Ende März 1933 wurden Erich Kästner und viele andere Schreibende als Mitglieder aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Seine Werke, ausgenommen Emil und die Detektive, wurden auf die sogenannte „schwarze Liste“ gesetzt. Damit waren sie sowohl in Bibliotheken als auch in Privathaushalten verboten.
Der 10. Mai 1933 war der Tag der Bücherverbrennung in ganz Deutschland. Allein auf dem Berliner Opernplatz verbrannten die Nationalsozialisten mehr als 20 000 Bücher. Erich Kästner sah dabei zu, wie auch seine Gedichtbände in das Feuer geworfen wurden. Ebenfalls hörte er, wie die sogenannten „Feuersprüche“ ausgerufen wurden. So erschallten bei seinen Büchern nationalsozialistische Parolen wie Gegen Dekadenz und moralischen Zerfall! Für Zucht und Sitte in Familie und Staat!. Erich Kästners antimilitärische Haltung war der Hauptgrund für seine Ablehnung durch die Nationalsozialisten.
Erich Kästner als Kinderbuchautor
Erich Kästner war ein deutscher Autor, der zunächst vor allem Gedichte, Glossen, Reportagen sowie Rezensionen schrieb. Wie wurde Erich Kästner also Kinder- und Jugendbuchautor? Eine Verlegerin schlug ihm vor, ein Kinderbuch zu schreiben, denn sie meinte, dass es an guten deutschen Autorinnen und Autoren mangele. Zwar war Erich Kästner von der Idee zunächst nicht überzeugt, doch schon sechs Wochen später hatte er die Hälfte des Kinderbuchs Emil und die Detektive geschrieben. Die Geschichte erschien im Herbst 1929 und wurde nicht nur sein erfolgreichstes Kinderbuch, sondern auch eines der erfolgreichsten Kinderbücher weltweit.
Das fliegende Klassenzimmer – Entstehungszeit
Trotz der bedrückenden politischen Situation schrieb Erich Kästner 1933 den Roman Das fliegende Klassenzimmer. Im Kontrast zu der rauen und gewaltsamen politischen Atmosphäre beschreibt er im Vorwort seines Kinderbuchs den Schreibprozess als idyllisch: So gibt es inmitten der Natur ein Kalb namens Eduard und einen Schmetterling. Zwar sind nicht allzu viele Details über die genaue Entstehungsgeschichte bekannt, doch glaubt man dem Vorwort – in dem Erich Kästner selbst als Figur auftaucht –, so verfasste er das Buch im Sommer am Fuße der Zugspitze:
Und nun wohne ich seit vierzehn Tagen am Fuße der Zugspitze, an einem großen dunkelgrünen See, und wenn ich nicht gerade schwimme oder turne oder Tennis spiele oder mich von Karlinchen rudern lasse, sitz ich mitten in einer umfangreichen Wiese auf einer kleinen Holzbank, und vor mir steht ein Tisch, der in einem fort wackelt, und auf dem schreib ich nun also meine Weihnachtsgeschichte.${^1}$
Diese Angaben gehören zum Werk. Sie können daher rein fiktiv sein. Allerdings verbrachte Erich Kästner tatsächlich im Sommer 1933 einige Zeit am Eibsee in Bayern und schrieb dort am Roman. So dürften seine Ausführungen einige wahre Details enthalten.

Woher hatte Erich Kästner seine Inspiration für Das fliegende Klassenzimmer?
Das fliegende Klassenzimmer spielt in einem Internat. Inspiration für seine Ideen dürfte folglich das Internat gegeben haben, in dem Erich Kästner selbst als Jugendlicher einst lebte. Er sollte dort auch Lehrer werden, jedoch brach er die Ausbildung kurz vor Schluss ab. Einige Erlebnisse aus seiner eigenen Schulzeit flossen in Das fliegende Klassenzimmer ein. Auch für die Figur Karlinchen, die im Vorwort auftaucht, gibt es eine reale Vorlage: Sie bezieht sich auf die Schauspielerin Cara Gyl, mit der Erich Kästner ein Verhältnis hatte.
Die Erfolgsgeschichte des Romans Das fliegende Klassenzimmer
Das fliegende Klassenzimmer in der Erstausgabe wurde noch in Deutschland gedruckt. Es erschien Weihnachten 1933 in der Deutschen Verlags-Anstalt, die sich jedoch unter einem anderen Namen tarnte. Der Zeichner Walter Trier (1890–1951), der aus einer deutschsprachigen jüdischen Familie stammte, hatte die Geschichte illustriert. Der Kinderroman wurde in den Buchhandlungen ausgestellt und verkauft. Doch es war das letzte Buch, das in der nationalsozialistischen Zeit unter Erich Kästners wirklichem Namen in Deutschland erschien. 1936 wurden sämtliche Bücher Kästners beschlagnahmt, auch der Welterfolg Emil und die Detektive.
Erich Kästner blieb in Deutschland. Er wurde zweimal verhaftet und von der Gestapo, der Geheimen Staatspolizei des NS-Regimes, verhört. Offiziell durfte er seit 1933 nicht mehr schreiben, ehe er 1943 ein endgültiges Schreibverbot für das In- und Ausland bekam. Doch Erich Kästner fand immer wieder Schlupflöcher, so schrieb und veröffentlichte er zum Beispiel unter anderen Namen. Heute ist Das fliegende Klassenzimmer wieder in Bibliotheken zu finden und in jeder Buchhandlung bestellbar. Es wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
Datum |
Ereignis |
1929 |
Erich Kästners erstes Kinderbuch Emil und die Detektive erscheint. |
30. Januar 1933 |
Die Nationalsozialisten ergreifen die Macht in Deutschland. |
Ende März 1933 |
Erich Kästner wird aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. |
10. Mai 1933 |
In Berlin werden öffentlich Bücher verbrannt, darunter auch Werke von Erich Kästner. |
Sommer 1933 |
Erich Kästner schreibt Das fliegende Klassenzimmer. |
Weihnachten 1933 |
Das fliegende Klassenzimmer erscheint in der Deutschen Verlags-Anstalt. |
1936 |
Sämtliche Bücher Erich Kästners werden beschlagnahmt. |
1943 |
Erich Kästner bekommt ein Schreibverbot für das In- und Ausland. |