Mario und der Zauberer (Mann)
In Thomas Manns Novelle „Mario und der Zauberer“ wird die Gefährlichkeit von Nationalismus, Faschismus und Fremdenfeindlichkeit behandelt. Dadurch ist das Drama auch für die heutige Zeit von großer Relevanz.
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Entstehungsgeschichte
Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass viele Autoren in ihren Werken schon sehr früh auf gefährliche Entwicklungen der Gegenwart hinweisen, bevor diese für die meisten Menschen ersichtlich werden. So geschieht es auch in den 1920er Jahren, als viele Autoren auf nationalistische und faschistische Tendenzen aufmerksam machen. So auch Thomas Mann, der zeit seines Lebens scharfer Gegner der Nationalsozialisten war. Seit 1940 ruft er die Deutschen in monatlichen Radioansprachen aus dem Exil zum Widerstand auf. Seine Unbeugsamkeit den Nazis gegenüber sollen ihn später zum wohl prominentesten Wortführer der Exilschriftsteller werden lassen.
Die Novelle „Mario und der Zauberer - Ein tragisches Reiseerlebnis“ wird 1930 im Fischer Verlag publiziert. Thomas Mann findet die Inspiration dafür 1926 während eines Sommerurlaubs mit seiner Familie in Italien, als er bereits Tendenzen hin zum Faschismus, Nationalismus und zur Diktatur erkennt. Diese Themen greift er in seiner Novelle auf, obgleich er auch einige Aspekte, vor allem das Ende, abändert. Die Novelle ist dem psychologischen Realismus zuzuordnen, in dem er seelische Vorgänge und das Innenleben der Charaktere realistisch beschreibt.
Inhaltsangabe
In Torre die Venere, einem norditalienischen Badeort, verbringt der Erzähler - ein Familienvater - gemeinsam mit seiner Frau und seinen beiden Kindern seinen Urlaub im faschistischen Italien. Sie werden dort oft wie Menschen zweiter Klasse behandelt und erleben eine Atmosphäre, in der Ausländer offenbar nicht willkommen sind. Es ist extrem heiß, der Strand überfüllt, die Italiener der Mittelschicht laut und rücksichtslos, die Kinder patriotisch. Das alles wird überschattet von einer nationalistisch geprägten Gesinnung, die der Erzähler als unfreundlich und fremdenfeindlich beschreibt.
Sie reisen jedoch nicht ab, sondern besuchen eine Veranstaltung des Zauberkünstlers Cippola. Dieser hypnotisiert Menschen aus dem Publikum, um sie zu verspotten. Mit seinen Zaubertricks und Reden will er zeigen, dass der Mensch dazu geboren ist, zu gehorchen. Menschen besitzen seiner Meinung nach keine Willensfreiheit.
Der Erzähler ist dennoch von ihm fasziniert, weshalb er und seine Familie die Veranstaltung nicht verlassen. Am Ende der Novelle wird der verträumte und schwerfällige Kellner Mario hypnotisiert, sodass dieser vor den Augen des Publikums seine unglückliche Liebe gesteht und den Zauberer küsst, den er für seine große Liebe hält. Als er aus der Hypnose erwacht und mit Entsetzen und Ekel feststellt, zu welch demütigender Szene er missbraucht wurde, stürmt er von der Bühne und erschießt Cippola. In den Augen des Erzählers ist das ein fatales, aber auch ein „befreiendes Ende“.
Personenkonstellation
In „Mario und der Zauberer“ findest du zwar viele Figuren, aber nur wenige können als individuelle Charaktere verstanden werden.
Einer von ihnen ist der Erzähler. Er berichtet in einer Rückschau von seinem Familienurlaub, wobei er die Handlung immer wieder kommentiert und bewertet. Dadurch sticht er als einziger reflektierter Charakter unter den Urlaubern heraus. Er schildert die feindselige Atmosphäre, die ihm und seiner Familie entgegengebracht wird und unter der er leidet. Vom Zauberer ist er wie das restliche Publikum fasziniert, sodass im Verlauf der Veranstaltung sein Reflexionsvermögen abnimmt und er schließlich ebenfalls Cippola ausgeliefert ist.
Cippola ist hingegen ein raffinierter Verführer, der durch seine Rhetorik Macht über das Publikum gewinnt. Unverhohlen vertritt er die Meinung, dass Menschen keinen freien Willen haben und nutzt die Bühne, um seine Macht auszuüben und sich zu bestätigen.
Mario, sein letztes Opfer, ist ein unschuldiger Mensch, der im Gegensatz zu vielen anderen Italienern freundlich mit der Familie des Erzählers umgeht. Er wird von Cippola erniedrigt, der seinen Liebeskummer enthüllt, unter dem er leidet. Nur er lehnt sich gegen die seelische Vergewaltigung Cippolas auf, indem er ihn erschießt.
Die anderen Figuren sind typisiert: Die Italiener vertreten patriotische Positionen und die Kinder des Erzählers sind kindlich naiv.
Interpretation und Rezeptionsgeschichte
Oft wird Manns Novelle als scharfsichtige Beobachtung Europas zur Zeit des aufkommenden Faschismus betrachtet. Da der Novelle eine wahre Begebenheit zugrunde liegt, können in dem Klassiker allgemein menschliche und sittliche Fragestellungen herausgelesen werden. Vor diesem Hintergrund bietet die Figur des selbstherrlichen Cipolla viele Interpretationsansätze. Auf den ersten Blick wirkt die Novelle auf viele zeitgenössische Lesende wie ein biographischer Reisebericht. Dabei wird bereits in der Einleitung das eigentliche Thema - die Ausbreitung des Nationalismus und seine negativen Ausprägungen - deutlich. Zudem werden die diktatorischen Tendenzen in der Politik thematisiert, die in Deutschland und Italien im Gefolge des Nationalismus entstehen. Dafür fungiert die Zauberveranstaltung als Modell: Sie zeigt die Entstehung, den Sieg und den Sturz einer autoritären Gewaltherrschaft. Cippola ähnelt einem Diktator, der sein Publikum unterwirft. Nur durch den Tyrannenmord Marios kann er - und stellvertretend der Nationalismus - gestürzt werden.
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