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Naturalismus

Die exakte Abbildung der Natur: Das wollten die Naturalisten. Ein wichtiges Mittel dafür: das soziale und das analytische Drama.

Inhaltsverzeichnis zum Thema

Einführung in den Naturalismus

Was sind deine ersten Gedanken, wenn du den Begriff Naturalismus hörst? Du tippst ganz richtig, wenn du denkst, dass diese literarische Epoche irgendetwas mit der Natur zu tun haben muss. Allerdings geht es weniger um die teils „kitschige“ Schönheit eben dieser, sondern um die hässlichen Aspekte des natürlichen Lebens. Warum sollten die Schriftsteller und Schriftstellerinnen alle negativen Seiten der menschlichen Existenz ausblenden, nur weil sie nicht ästhetisch sind? Schluss damit! Es lebe die Wahrheit der Hässlichkeit!

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Naturalismus

Der Beginn der Moderne wird mit der Epoche des Naturalismus (etwa 1880–1900) allmählich eingeläutet. Prägend für das Ende des 19. Jahrhunderts sind die industrielle Revolution und die damit zusammenhängende Urbanisierung (Verstädterung). Im Politischen ist ein zunehmender Imperialismus zu beobachten, also das Bestreben vieler Staaten, ihre Staatsgebiete auszuweiten. Gleichzeitig werden im Bereich der Wissenschaften erstaunliche Fortschritte gemacht. Wusstest du zum Beispiel, dass der Benzinmotor in den 1880er Jahren erfunden wurde?

Mit Sicherheit sind einige dieser Entwicklungen als positiv zu bewerten, jedoch kommt es zu dieser Zeit auch zu sozialen Missständen. So führen die politischen, sozialen und kulturellen Verhältnisse dieser sogenannten Gründerzeit zu einer Protestbewegung junger Schriftsteller (nicht nur) in Deutschland: Der Naturalismus ist geboren.

Weltanschauung und Motive

Bestimmt hast du schon einmal von der Formel Kunst = Natur – X gehört. Sie geht nicht etwa auf einen Mathematiker zurück, sondern auf Arno Holz, einem deutschen Dichter des Naturalismus. Aber du siehst schon, die Naturwissenschaften beeinflussen sogar die Literatur; man möchte sie sogar zur Grundlage der Kunst werden lassen. Doch was genau bedeutet nun diese Gleichung? Das X, das übrigens für Sprache und künstlerische Form steht, soll möglichst gegen 0 gehen, um die Natur so exakt wie möglich abzubilden – ein wesentliches Ziel der Naturalisten.

Etwas Ähnliches fordern auch die Schriftsteller des Realismus (1848–1890), die sogar dieselben geistigen und sozialen Wurzeln haben. Allerdings wollen die Naturalisten im Gegensatz zu den Realisten auch – oder ganz besonders – das Hässliche, nämlich das Moderne, abbilden:

Unsre Welt ist nicht mehr klassisch, Unsre Welt ist nicht romantisch, Unsre Welt ist nur modern. (Arno Holz)

Dies lehnen die Realisten entscheidend ab: Das Negative wird in realistischen Texten von den Schriftstellern zugunsten ästhetischer Aspekte verklärt. Man könnte auch sagen: Der Naturalismus ist eine Radikalisierung des Realismus. Auf den Naturalismus folgt schließlich der Expressionismus (1910–1925), der den Ersten Weltkrieg miteinschließt.

Mit der industriellen Revolution entsteht eine neue Arbeiterklasse und damit einhergehend auch neue Probleme, die die Autoren des Naturalismus in ihren Werken darstellen möchten. Eine wichtige Rolle nimmt dabei die Auffassung ein, der Mensch sei determiniert (in seinem Handeln vorbestimmt und beschränkt) durch die historische Situation, durch Vererbung und durch das Milieu, in dem er lebt. Die Verbesserung der Situation, die begleitet ist von sozialen Missständen wie etwa Armut, Ehekrisen, Alkoholismus, Krankheit und/oder Kriminalität, scheint ausgeschlossen: Das eigene Schicksal ist unabwendbar und in Stein gemeißelt.

Wichtige Autoren und Werke

Gattungen im Naturalismus

Die häufigste Gattung im Naturalismus ist das Drama. Zwar behalten die Schriftsteller des Naturalismus die traditionelle Form des antiken Dramas bei, inhaltlich jedoch entfernt sich diese Literaturgattung radikal von herkömmlichen Theaterstücken. Neue, tabuisierte Themen werden u. a. im sozialen Drama dargestellt. Hier stehen Charaktere im Mittelpunkt, die durch ihr Milieu, also ihre soziale Umgebung, geprägt sind und dadurch ein elendiges Dasein fristen. Es dreht sich meist um gesellschaftliche Außenseiter wie z. B. Kranke, Prostituierte oder Alkoholiker.

Darüber hinaus gibt es eine weitere Dramenform, das analytische Drama. Erkennbar sind zunächst nur die Auswirkungen eines dem Leser zu Beginn unbekannten tragischen Vorfalls. Die Ursache wird erst im Verlauf der Handlung enthüllt bzw. aufgedeckt.

Das Drama im Naturalismus

Folgendes haben alle Dramen des Naturalismus gemeinsam:

  • Keine Monologe: Sie wirken realitätsfern und unnatürlich.

  • Ausführliche Regieanweisungen

  • Dialoge im Dialekt oder in Umgangssprache

  • Protagonisten sind einfache Menschen aus der Unterschicht.

Autoren des Naturalismus

Der wohl bekannteste Vertreter des Naturalismus ist Gerhart Hauptmann (1862–1946). Der erfolgreiche Schriftsteller erhielt 1912 sogar den Nobelpreis für Literatur. Sein Sozialdrama Die Weber gehört heute zu den Klassikern der Weltliteratur und wird auch gerne im Deutschunterricht als Lektüre gelesen. Ein weiteres bekanntes Werk von ihm ist Bahnwärter Thiel. Hierbei handelt es sich nicht um ein Drama, sondern um eine Novelle. Denn auch Prosatexte (und Gedichte) werden von den Schriftstellern des Naturalismus verfasst.
Außerdem zählt der Norweger Henrik Ibsen (1828–1906) zu den bedeutendsten Schriftstellern des Naturalismus. Er ist zwar kein deutscher Vertreter der Epoche, aber sein außerordentliches Werk (dazu gehört z. B. das Familiendrama Gespenster) macht ihn zu einer Schlüsselfigur dieser Epoche.

Bedeutende Werke

Eines der bedeutendsten Dramen des Naturalismus ist das Stück Die Weber von Gerhart Hauptmann. Im Mittelpunkt des Stücks steht der Weberaufstand in den 40ern des 19. Jahrhunderts.

Weber

Der gierige Fabrikant Dreißiger beutet seine Arbeiter gnadenlos aus: Die verarmten Weber haben kaum genug zum Leben. Als er schließlich die ohnehin miesen Löhne noch mehr drücken möchte, regt sich Widerstand. Der Soldat Moritz Jäger stimmt das Weberlied an, welches das Leid und die Ungerechtigkeit der Weber ausdrückt. Die wütenden Arbeiter ziehen schließlich zu Dreißigers Villa, bereit, ihn und seine Gefolgsleute zu lynchen – doch Dreißiger entkommt. Auch die Polizei ist machtlos gegen die Wut der Arbeiter. Die Weber ziehen in die nächste Stadt. Das Militär ist bereits vor Ort, kann aber von den Aufständischen zurückgetrieben werden. Der alte Weber Hilse, der sich dem Aufstand verweigert, wird durch eine verirrte Kugel getötet. Das Stück demonstriert die elenden Lebensumstände mittelloser Arbeiter. Im Kollektiv vereinen sie sich, um gegen die gierige Oberschicht vorzugehen. Vater Hilse, der sich dem Aufstand nicht anschließen möchte, stirbt, da er sich der neuen Aufbruchstimmung verweigert. Das soziale Drama hat in Zeiten von Lohndumping und Ausbeutung nicht an Relevanz verloren.