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Jakob der Lügner (Becker)

„Jakob der Lügner“ ist das bekannteste Werk des deutschen Schriftstellers Jurek Becker. Der Roman spielt in einem fiktiven polnischen Ghetto während der Zeit des Nationalsozialismus und greift das Thema der Verfolgung und Ermordung der Juden und die Bewältigung der Vergangenheit auf.

Inhaltsverzeichnis zum Thema

Entstehungsgeschichte

In Krisenzeiten gibt es immer wieder Menschen, die sich selbstlos für andere einsetzen. Dies trifft auch auf die Zeit des 2. Weltkrieges zu: Unzählige Menschen haben tapfer und heldenhaft ihre Ideale vertreten, auch, wenn sie dafür ihr Leben riskierten. Damit diese Helden nicht in Vergessenheit geraten, werden ihre Schicksale und Taten immer wieder in der Literatur aufgegriffen. Ein ähnliches Ziel verfolgt Jurek Beckers Roman „Jakob der Lügner“, welcher 1969 veröffentlicht wurde. Die Idee zu seinem Roman verdankt Becker seinem Vater. Mit dem Helden Jakob, den Becker zum Antihelden stilisiert, grenzt er sich von der offiziellen antifaschistischen Literatur der DDR und dem geforderten Heldentypus ab. Als sein Roman erscheint, ist Becker gerade einmal 32 Jahre alt, lebt in der DDR und steht dem sozialistischen System kritisch gegenüber. Beckers politisches Engagement führt letztlich zum Ausschluss aus der SED und später zur Emigration in den Westen (mit Genehmigung der DDR-Behörden).

Jurek Becker

Inhaltsangabe

Der Roman „Jakob der Lügner“ spielt in einem jüdischen Ghetto und wird von einem anonymen 1921 geborenen Ich-Erzähler geschildert. In diesem Ghetto erfährt Jakob Heym - ein Freund des Erzählers - durch Zufall, dass die Rote Armee vorrückt. Er hat jedoch Angst, den anderen davon zu erzählen, da sie ihn für einen Spitzel halten könnten. Als sein Freund Mischa aus Verzweiflung Kartoffeln stehen will, hält er ihn davon ab. Jakob erzählt ihm, dass er ein Radio im Keller versteckt hält, wodurch er vom Vorrücken der Roten Armee erfahren hat. Obwohl Jakob mit dieser Notlüge wahrscheinlich das Leben seines Freundes gerettet hat, geht er dadurch zugleich ein enormes Risiko ein, denn der Besitz eines Radios ist den Juden im Ghetto verboten und wird mit dem Tod bestraft.

Radio

Jakobs Lüge, ein Radio zu besitzen, führt dazu, dass viele Bewohner des Ghettos wieder Hoffnung und neuen Lebensmut schöpfen. Zugleich teilt sie das Ghetto in zwei Lager: Herr Frankfurter und weitere Protagonisten des Romans halten das Radio für eine Gefahr, während die anderen immer mehr Neuigkeiten erfahren wollen. Jakob zweifelt, ob er weitere Lügen verbreiten soll, denn die Lüge beginnt immer mehr auf ihm zu lasten. Die Deportationen nehmen zu und als Jakob seinem Freund Kowalski die Radiolüge beichtet, erhängt sich dieser. Jakob wird eindringlich bewusst, wie viel von seinem Bestehen oder Versagen abhängt. Sein Gewissen und die Schuld an Kowalskis Tod motivieren ihn, weitere Lügen zu erfinden, um dadurch Hoffnung zu spenden.

Am Ende des Romans verkündet der Ich-Erzähler, dass er zwei Enden erzählt. Ein ihm passend erscheinendes und ein tatsächliches Ende: Im realen Ende, das den historischen Tatsachen entspricht, wird Jakob nach Kowalskis Tod zusammen mit den anderen Bewohnern des Ghettos deportiert und mit Eisenbahnwaggons ins Konzentrationslager gebracht. Unterwegs erzählt ihm Jakob seine Geschichte, die der Erzähler nach dem Krieg weitererzählt. Im fiktiven Ende hingegen wird Jakob während eines Fluchtversuchs erschossen. Im selben Moment sind die Geschütze der Roten Armee zu hören, was die rechtzeitige Befreiung des Ghettos bedeutet.

Personenkonstellation

Jakob ist die zentrale Person des Romans und von unauffälligem, fürsorglichem Wesen. Er gibt vor, ein Radio zu besitzen. Mit seinen Lügen erzeugt er einen Lebenswillen unter den Ghettobewohnern, auch, wenn er dabei sein Leben riskiert. Er wird oft von Selbstzweifeln und Gewissensbissen geplagt, behält das Erzählen von Lügen um die Befreiung des Ghettos aber bis zuletzt bei.

Kowalski ist einer von Jakobs engsten Freunden. Er ist misstrauisch, geschwätzig und neugierig. Zwar rettet ihn Jakob zunächst, aber indirekt führt Jakobs Lüge dazu, dass er sich am Schluss das Leben nimmt. Auch bei Mischa und Rosa ist die Wirkung von Jakobs Lüge nicht immer positiv: Aufgrund seiner hoffungsstiftenden Lügen wollen beide heiraten, aber die Deportation von Rosas Eltern kann auch die Lüge nicht verhindern. Rosas Vater - Felix Frankfurter - ist eine Kontrastfigur zu Jakob. Er besaß einst ein Radio, das er aus Angst zerstörte. Er lebt in seinen Erinnerungen und ist sehr pessimistisch.

Ungewöhnlich ist beim Roman, dass auch der Erzähler Teil der Geschichte ist. Man erfährt jedoch wenig über ihn, stattdessen erzählt er im Rückblick Jakobs Geschichte, um seine eigenen Erfahrungen zu bewältigen.

Interpretationsansatz

Interpretationsansatz und Rezeptionsgeschichte

Der Roman kann als Parabel über die Kraft der schöpferischen Fantasie verstanden werden. Becker baut kunstvoll eine Spannung zwischen Tatsache und Fiktion und Wahrheit und Lüge auf. Auch der Erzähler nutzt seine erzählerischen Freiräume und erweitert die Geschichte um ein fiktives Ende.

Jakob der Lügner

Die Sprache des Romans ist mit bildhaften Redewendungen und Einschüben in einem unaufgeregten Umgangston verfasst, wodurch die Ereignisse entdramatisiert werden. Die Lüge wird als zentrales Motiv vieldeutig dargestellt. Sie ist wurde in der Zeit des Nationalsozialismus oft als ein Mittel der Propaganda eingesetzt und wirkt sich auch hoffnungsstiftend auf die Menschen aus. Fast beiläufig schildert Becker den Alltag der Juden im Ghetto und die Willkür und Terrorherrschaft der Besatzer. Der nahezu heitere Stil steht in fast ironischem Kontrast zum grausamen und tragischen Thema der Geschichte.

Auch Bäume sind ein zentrales Leitmotiv des Romans. Der Erzähler verbindet zahlreiche Erinnerungen mit Bäumen. Das Motiv des Baumes, das häufig mit der Bedeutung Leben verknüpft ist, wird hier auch in gegenteiliger Weise als Symbol für den Tod verwendet, indem gerade im Ghetto - einem Ort des Todes - ein Baumverbot besteht. Am Ende des Buches betrachtet der Erzähler die vorbeiziehenden Bäume, wobei Bäume hier mit der Hoffnung verknüpft werden, dass die Schreckenszeit vergeht.

Für den Roman „Jakob der Lügner“ erhielt Becker 1971 den Heinrich-Mann-Preis und 1975 den Nationalpreis der DDR. Das Buch war einer der erfolgreichsten Romane in der DDR und wurde 1974 das erste Mal verfilmt. Die Romanverfilmung war die einzige DEFA-Produktion, die für den Oscar in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film nominiert wurde. Bisher wurde er in mehr als 20 Sprachen übersetzt und 1999 erneut als Hollywood-Produktion verfilmt.